Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
zusammentrafen. Cloquet und ich hatten uns vorbereitet. Wir hatten Medikamente, die die Wehen auslösten: Pitocin, Dinoproston, Misoprostol. Wir hatten (zumindest hätten wir sie gehabt, wenn die Lieferung nicht in Anchorage festgesteckt hätte) ein halbes Dutzend Amniotome – kleine, einer Häkelnadel ähnliche Instrumente, die zum Einsatz kamen, wenn die Medikamente nicht ausreichten, um die Fruchtblase zum Platzen zu bringen –, allerdings entsetzte uns allein schon die Vorstellung, darauf zurückgreifen zu müssen. Unser Plan hatte vorgesehen, bis zur sechs- oder siebenunddreißigsten Woche zu warten und dann eine Entscheidung zu treffen: Wehen auslösen und eine leichte Frühgeburt riskieren oder es dabei belassen und zu riskieren, das Kind unter … diesen Umständen zur Welt zu bringen. Ich war nicht gewillt gewesen, mich auf einen noch früheren Termin einzulassen. Eine solche Frühgeburt hätte – im alten Universum, wo die Dinge noch eine Bedeutung hatten – bedeutet, dass das Baby nicht überleben sollte.
    Tja, und nun würden wir es herausfinden.
    Ich schob die Geisterstimme beiseite und besah mir die dampfende Pfütze, die das Fruchtwasser im Schnee gemacht hatte. ›Der Abgang des Schleimpfropfens wird auch Zeichenblutung genannt, das Signal, dass die Wehen bald einsetzen. Viele Frauen bemerken das nicht einmal.‹ Viele Frauen und eine blöde Werwölfin. ›Die Fruchtblase reißt entweder kurz davor oder zu jeder beliebigen Zeit des ersten Geburtsabschnittes. Dieser Abschnitt dauert im Schnitt sechs bis zwölf Stunden. Die nächste Phase der Geb–‹ ich musste schreien. Jaulen wohl eher. Die ganze Zeit, in der du Frauen über diesen Schmerz hast reden hören, bleibt er dir ein Rätsel. Und dann, eines Tages, überkommt er dich. Deine Version davon. Die einzige, die zählt. Ich dachte an meine Tante Vera, die meiner Mutter von den dreißig Stunden Wehen erzählte, die sie bei meinem Cousin Andy erdulden musste: »Immer wieder sagten sie zu mir, ich solle hecheln wie ein Hund, aber das machte keinen Unterschied. Ich sagte zu dem Blödmann von Arzt, ob er nicht mal wie eine Katze miauen wolle …« Im Western tigerten die Männer immer auf und ab und versuchten ins Zimmer zu gelangen, nur um von einer unscheinbaren alten Magd verscheucht zu werden, die plötzliche okkulte Autorität besaß, oder von einer sauertöpfischen Großmutter, von der alle gedacht hatten, sie würde das Mädchen hassen, sie aber in Wahrheit liebt, wie sich herausstellt, und nun bei der Geburt des Kindes hilft. Alle möglichen Bilder flatterten und schossen mir durch den Kopf, Leute zerrissen Bettlaken und setzten Wasser auf, Frauen schrien, dann die verschwitzte Frau mit den dicken Oberschenkeln im Aufklärungsvideo, Lauren, die flüsterte: »Wenn das Kind zu groß ist, reißt die Muschi auf, und du musst genäht werden.« Eine Geburt, hatte ich mal irgendwo gelesen, schreibt den Vertrag mit dem Leben neu. Dein Ego steht nicht länger im Mittelpunkt. Dieses Ding kommt da aus dir heraus und schleift die Hälfte deiner Seele mit sich wie eine Schmusedecke.
    Wieder durchfuhr mich eine Wehe wie das plötzliche Krachen eines Düsenjets über einem. ›Immer wieder sagten sie zu mir, ich solle hecheln wie ein Hund.‹ Wie ein Hund. Wie witzig –
    Ich wurde kurz blind, und die Welt stand kopf. Ich stellte fest, dass ich in die Knie gegangen war und mich vorgebeugt hatte, die Ellbogen tief im Schnee versunken. Mein Kopf war riesig und hing zur Seite, viel zu schwer für meinen Hals. Ich kroch ins Mondlicht, erhoffte mir Linderung, doch da war nichts. Nur eine weitere Kontraktion, bei der ich zusammenklappte, die Lippen verzog, die Fäuste ballte. Ich dachte an die Pflege, die mir Poulsom im weißen Gefängnis hatte zuteilwerden lassen, die Handtücher von Harrods und das strahlende Badezimmer. In gewisser Hinsicht hatte er dazu beigetragen, falls das Baby überleben sollte. Ich wollte meine Mutter. Ihren Geist, ihre Stimme in meinem Kopf, irgendetwas von ihr, um das alles nicht allein durchmachen zu müssen; sie sollte mir sagen, dass alles gut würde, und weil sie es war, würde ich ihr glauben.
    Aber da war nichts. Natürlich nicht.
    Ich stand auf und taumelte mit nassen Oberschenkeln zur Zufahrt.
    Cloquet wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, und fast gleichzeitig, worum es ging. Er ließ Kaitlyn los (die zusammenbrach) und kam auf mich zu, doch ich winkte ihn weg. (Winken, gestikulieren, grimassieren. Gibt nicht viele

Weitere Kostenlose Bücher