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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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würden wir den Highway nehmen. Drei Stunden waren nur ein kleines Zeitfenster – danach mussten wir uns während der Rückverwandlung noch fünf Stunden lang mit dem eingesperrten Wolf beschäftigen – doch ich achtete immer stärker darauf, den Ort des Verbrechens so schnell und so weit wie möglich hinter mir zu lassen. (Die langen Mondnächte hatten sich als schwierig herausgestellt. Dabei waren die Schwierigkeiten, sich so lange zu verstecken, bis man wieder Mensch war, abzuwägen gegen das Risiko, entdeckt zu werden – zwei Meter fünfundsiebzig und blutverschmiert –, wie man hinten in einen Lieferwagen stieg. Und wenn man nicht in der Gegend blieb und auf den Monduntergang wartete und so einige Meilen zwischen sich und den Überresten des Opfers brachte, war man zugleich den Risiken der Straße ausgeliefert: Motorschaden; ein Unfall; man wird wegen eines defekten Bremslichts angehalten. »Okay, Sir, ich werde mal einen Blick in den Laderaum werfen müssen …«) So war jedenfalls der Plan, und ganz im Einklang damit öffnete ich kurz nach 21 Uhr, aufgedreht vom Hunger und dem heimlichen Weg durch den mondbeschienenen Wald, den ich so genoss, die Hintertür, duckte mich unter dem Türsturz und trat ins Haus.
    Es ist die reine Freude, sich in das Haus eines Fremden zu schleichen, zu spüren, wie gelähmt es vor Entsetzen ist, und all die hilflosen, mit Geschichten verbundenen Gegenstände stehen nackt vor deinem unerlaubten Auge. Hier gab es eine große, saubere Küche, die in all ihren Atomen von sonnendurchglühten Familienfrühstücken sprach, vom amerikanischen Wohlstand, von beherrschbaren Dysfunktionen, von Liebe. Doch das war alles schon lange her. Der Raum wusste, dass seine besten Zeiten vorüber waren. Ich durchquerte ihn und ging leise durch den Flur zum Arbeitszimmer.
    Die Tür stand offen. Der grauhaarige George saß in blassgrünem Flanellhemd und grauer Cordhose in einem ledernen Drehsessel an einem Schreibtisch aus Kiefernholz, beleuchtet von einer verstellbaren Schreibtischlampe, und ging ein paar Akten durch. Er saß mit dem Rücken zur Tür, zu mir, zum Tod. Alle kehren dem Tod den Rücken zu.
    Meine Hände waren groß, schwer, elektrisch. Ich dachte daran, wie all seine körperlichen Alarmglocken auf einmal schrillen würden, dachte an das spektakuläre chemische Chaos. Er hatte gerade erst die leichte Lichtveränderung bemerkt, das Zittern meines Schattens im Augenwinkel. Der Raum verstummte. George hob seinen Kopf und setzte die Lesebrille ab.
    Ich sprang vor und drehte seinen Sessel um, damit er mich sah.
    Du willst, dass sie dich sehen. Du willst es, weil das Grauen das Fleisch mit all dem erfüllt, was es verlieren wird. Die Erinnerungen häufen sich in den Zellen an, rasen zur finalen Stimmigkeit, so als wüssten sie, dass der Tod das ganze Leben kosten wird.
    George hatte keine Angst vor dem Tod, aber er genoss es, am Leben zu sein. Noch sprachen die Jahreszeiten zu ihm; sein kindliches Ich war noch immer da, wenn die Blätter zitterten oder Donner krachte. Er liebte seine Familie hoffnungslos, hoffnungslos , die Kleinen, die noch immer weitergegebenen Gene, unerschöpflich. Der Geruch von Luft und Stein und Gras an den Kindern, wenn sie von draußen kamen, war der Geruch des Lebens. Er erlaubte sich bei manchen Fernsehdramen noch immer Gefühle. Er hatte noch immer Freunde in New York. Letztes Jahr hatte er sechs Monate lang eine Affäre mit der geschiedenen, einundzwanzig Jahre jüngeren Restaurantbesitzerin Amber Brouwer aus Chattham gehabt, bei der Philip Roth neidisch geworden wäre. Der erste richtige Sex seit Elaines Tod vor fast vier Jahren. (Er hatte in den verwirrten ersten Monaten der Trauer, als alles Hässliche nicht nur erlaubt, sondern obligatorisch schien, ein halbes Dutzend verzweifelter Nächte mit Callgirls in Hotels in Manhattan verbracht, aber das war ein schnell erloschenes Feuerwerk der Verkehrungen gewesen.) Sie beide, Amber und er, hatten gewusst, dass die Sache zu nichts führen würde, aber auch, dass das für eine kurze Weile nichts ausmachen würde, also lebten sie es voll aus. Die Sonntagvormittage in ihrem Bett (seine todgeweihte episkopalische Tiefenstruktur gab noch immer vage Schuldgefühle von sich, weil er nicht in der Kirche war, dabei war er praktisch sein ganzes Erwachsenenleben nicht gegangen) waren langsam und köstlich und erstaunlich. George hatte ganz vergessen, wie das sein konnte. Die hypnotisierende Besonderheit des Körpers

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