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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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einer Geliebten, die dünne Haut über ihrem Schlüsselbein, das lilafarbene Gekritzel der Krampfadern im Oberschenkel, die überraschend grazile Verjüngung ihrer Hände. In den ersten Wochen war die Welt für ihn zitternd wacher geworden. Letztlich schloss sich das Zeitfenster aber wieder. Ihm war nicht klar gewesen, wie sehr er es ihn körperlich nach einer Frau verlangte, erst als sie sagte, sie müssten damit aufhören. Nun fühlte er sich wieder sexuell einsam.
    Und woher wusste ich das alles? Weil ich ihn, nachdem ich seinen Kopf zurückgerissen und seine Kehle mit meinen Krallen geöffnet hatte (Stimmbänder, erst die Stimmbänder), zu Boden warf und meine Fänge in seiner Schulter versenkte, mit den ersten beiden wütenden Bissen Halsschlagader, Schlüsselbeinschlagader und Achselarterie durchtrennte, dazu Mastoidal- und Trapezmuskel, Dutzende von Kapillargefäßen und eine kreischende Menge an Nerven. Sein dahineilendes Leben schnappte all diese Bilder und noch zahllose andere Dinge auf dem Weg hinaus (in mich hinein), doch wie ein Blitz durchfuhr all dies ein ›Oh Himmel, Jenny, verschwinde, Schatz, ver–‹
    Ich drehte mich um.
    Ein dürres Mädchen von vielleicht achtzehn Jahren, in pinkfarbenen Sweatpants und einem weißen Bademantel, drückte sich rücklings gegen die Seite der Treppe gegenüber der offenen Arbeitszimmertür. Ihr dunkles Haar war vom Duschen nass. An den Gesichtsausdruck hatte ich mich schon gewöhnt, ein Ausdruck angestrengter Revision, das menschliche System versuchte etwas zu verarbeiten, das das System selbst zum Absturz bringen würde – etwa so, wie alle glaubten, wie Computer sich beim Y2K-Problem fühlen würden, Mitternacht 1999.
    Etwa zwei Sekunden lang starrten wir uns an. Ich dachte noch, ganz gleich, was man anstellt, um das Risiko auszuschalten, es findet immer einen Weg. Cloquet und ich hatten George eine Woche lang beobachtet und seine tägliche Routine herausgefunden. Heute hatte er mal eine Stunde, maximal zwei, nicht unter Beobachtung gestanden. Aber das Risiko braucht keine Stunden. Das kann auch in fünf Sekunden Wunder wirken.
    Jennys Augen waren voll von mir. Werwolf. Echt. Die ganze Zeit über. Horrorfilme.
    Ein säumiger Wolfsmuskel tauchte in meiner Schulter auf und ließ mich zucken. Ich spannte die Oberschenkel an, um loszuspringen. Sie drehte sich um und rannte.
    Sie kam nicht weit, aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass sie neben ihrer eigenen, vom Blut gelieferten Montage aus dem Desinfektionsgeruch im Kindergarten und ihrer Mutter, die sie die körnige Süße vom Löffel hatte lecken lassen, und der auf dem Kopf stehenden grünen Welt, als sie aus dem Baum fiel, und Chris’ Gesicht, als er kam, und wie die Vision, die sie von ihrer Zukunft hatte, in unsichere Stücke zerfallen war, die sie nicht zusammenhalten konnte, als der Schwangerschaftstest unmissverständlich Blau anzeigte – dass in all dem wie eine sich wiederholende Explosion lag: DAS BABY DAS BABY DAS BABY, und mir wurde klar (das Blut an ihrem Hals pulste rhythmisch heraus wie ein Zauberer, der Seidentücher hervorzieht), dass sie nicht zur Vordertür wollte, wie ich gedacht hatte. Sie wollte zur Treppe.
    Zum Baby.
    Meine Fangzähne hatten sich gerade in ihre Taille gebohrt. Einen kurze Weile ließ ich sie dort, während ihr Puls in meinen überging und ich alles sah, die ungewollte Schwangerschaft, der abgebrochene Collegeabschluss, die Familie, die kollektiv den Kopf schüttelte, Opa George, der sich auf ihre Seite schlug (»wann immer du eine Auszeit brauchst, Schätzchen, kommst du zu mir und bleibst, solange du willst«), und die Wehen, Schmerzen wie keine anderen, und die Schwester, die sagte: »Sie haben ein Mädchen«, und sie hält sie hoch, ganz voller Blut und Schmiere, und trotz all der Monate, in denen sie nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte, wie sie sie nennen sollte, war plötzlich der Name Delilah aufgetaucht, und sie hatte sofort gewusst, da unter den gleißenden Lichtern, als hätte es das Baby selbst zu ihr gesagt: Delilah Jane Snow.
    Doch jetzt dachte sie, während ihr Herzschlag sich meinem ergab und ihr Blut schwach wallte und die Dunkelheit sich wie warmes, schwarzes Wasser über ihrem Kopf schloss: ›Ein Ungeheuer … ein Ungeheuer … das ist alles mein Blut, oh Gott, das ist wie Schlaf, so … holt einen der … Schlaf …‹
    Ihr Herz tat einen letzten leisen Schlag – und blieb stehen. Das Haus war geschockt von dem Blut auf den

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