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Baedeker Reisefuehrer Toskana

Baedeker Reisefuehrer Toskana

Titel: Baedeker Reisefuehrer Toskana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baedeker
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dann nur über die Via Malborghetto zugängliche Mitte des Platzes (Nicchia) kostet keinen Eintritt. Für die Rennbahn wird rings um die abschüssige Piazza del Campo eine spezielle Mischung aus Tuff und ockergelbem Sand 20 cm hoch aufgeschüttet und auf 7,5 m Breite festgestampft. Ist der Sand auf der Piazza, hat das Rennfieber sein akutes Stadium erreicht.
Die Spannung steigt
    Die Pferde werden am Vortag des Palio unter Aufsicht des Bürger-meisters auf dem Rathausplatz verlost. Wem das Glück hold ist, der kann einen schnellen Barbero in seinen Stall führen, wer Pech hat, muss mit einem müden Klepper, einem Brenna, vorliebnehmen und kann nur noch den Beistand der Schutzheiligen erflehen. Nachmittags finden dann die Ausscheidungsrennen statt, dreimal um den Platz. Ganz Siena ist inzwischen mit Contrade-Wappen und -Bannern geschmückt und fiebert dem großen Augenblick entgegen. Am Abend vor dem Palio veranstalten die teilnehmenden Contrade auf ihrem Hauptplatz ein Festmahl, bei dem letzte Absprachen getroffen werden. Bestehen berechtigte Hoffnungen auf das Marienband? Oder verspricht das zugeloste Pferd kaum eine Chance auf den eigenen Sieg – dann wird man wenigstens die feindlichen Contrade ordentlich behindern. Am Rennmorgen kommen Pferd und Reiter zur Einsegnung in die Contrada-Kirche . »Va e torna vincitore – geh und kehre als Sieger zurück« lautet der Schlusssatz des Geistlichen. Um 12 Uhr werden die Reiter dem Bürgermeister vorgestellt, ab 15 Uhr beginnen sich die Contrade-Mitglieder für den historischen Festumzug am Domplatz zu sammeln. Was die Stadt ein ganzes Jahr lang herbeigesehnt, sich ausgemalt und vorbereitet hat, wird nun im letzten Moment fast unerträglich hinausgezögert. Ohne jede Eile, eher betont gemächlich, bewegen sich die Bewohner Sienas beim monotonen Glockengeläut der Torre del Mangia die Straßen und Gassen zur Piazza del Campo hinunter. Die farbenprächtige Passeggiata Storica , die über die Via del Casato den bereits überfüllten Campo erreicht, wird von mittelalterlich gekleideten Fahnenschwingern, Trommlern und Pfeifern begleitet – an der Spitze die sechs Stabträger und der Fahnenträger der Gemeinde mit der schwarz-weißen Fahne von Siena. Dann kommen Musiker, gefolgt von den Bannerträgern jener Besitzungen, die einst der freien Stadtrepublik angehörten, hinter ihnen die drei Merkantil-Magistrate sowie die Vertreter der bedeutendsten Zünfte. Nun folgen die Komparsen der zehn teilnehmenden und der sieben nicht zugelassenen Contrade: je ein Trommler, zwei Fahnenträger, ein Hauptmann, vier Pagen, ein weiterer Bannerträger, ein Reiter auf dem Paradepferd und der Stallmeister mit dem Rennpferd am Zügel. Vertreten sind auch die sechs historischen Contrade (Bär, Eiche, Hahn, Löwe, Schwert, Viper), die 1675 wegen eines Aufruhrs für immer vom Rennen ausgeschlossen wurden. Bis zu zwei Stunden kann der Umzug dauern, bis dann endlich vier Chianina-Ochsen den geschmückten Triumphwagen mit der Martinella-Glocke und der Siegestrophäe an der jubelnden Menge vorbeiziehen. Ein letztes Mal werden die Fahnen in die Höhe geworfen, bevor die Glocke gegen 20 Uhr verstummt, die Pferde nervös aus dem Innenhof des Palazzo Pubblico tänzeln und unter immer lauteren Zurufen zwischen den beiden Startseilen in der ausgelosten Reihenfolge Aufstellung nehmen.
    Faszinierende Vorführung der Fahnenschwinger zu Beginn des Palio
In Sekunden entschieden
    Dann geht alles plötzlich ganz schnell. Das Seil (Canapo) fällt, ein Aufschrei geht durch die Menge, und das rasante Schauspiel nimmt seinen Lauf. Dreimal müssen die Pferde das schräge Oval des Platzes umrunden, wofür sie knapp 100 Sekunden brauchen. Spätestens in der zweiten Runde kommt es meist in der berüchtigten und daher mit Matratzen gepolsterten Curva di San Martino zu einem spektakulären, nicht selten lebensgefährlichen Sturz, dann noch eine Runde in rasendem Tempo, bis das erste Pferd, mit oder ohne Reiter, unter frenetischem Beifall als Sieger durchs Ziel geht. Und schon klettern die Ersten im Freudentaumel über die Balustraden, reißen den Sieger vom Pferd und tragen ihn mit dem Palio auf ihren Schultern im Triumph zum Dankes-Te-Deum – am 2. Juli in der Provenzano-Kirche, am 16. August im Dom. Nach kaum fünfzehn Minuten ist der Campo wieder beinahe leer, während die Gassen Sienas nun in Windeseile mit den Farben der siegreichen Contrada geschmückt werden und man sich an weiß gedeckten Tischreihen unter freiem

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