Bädersterben: Kriminalroman
Sie da drüben hin, dort hat gestern Morgen das Bäderschiff Atlantis vergeblich anzulegen versucht. Aber das Schiff ließ sich einfach nicht gerade an die Spundwand legen, um eine Gangway ausbringen zu können. Die Besatzung hat dann mit Enterhaken probiert, im trüben Brackwasser nach der Ursache zu fischen. Irgendwann brachte man zum Schrecken der einsteigewilligen Passagiere eine Wasserleiche an die Oberfläche. Ich bin sofort mit dem Erkennungsdienst zur Alten Liebe gefahren, und es dauerte einige Zeit, die vielen neugierigen erlebnishungrigen Urlauber zu überzeugen, in einen anderen Bereich auszuweichen. Dann haben wir zunächst die Atlantis abgefertigt, damit endlich die Tagesurlauber nach Helgoland gekarrt werden konnten. In New York hätte so etwas keine fünf Minuten gedauert. Sure.«
Seine Zwischenfrage konnte sich Hansen nicht verkneifen. »Sind Sie eigentlich ein gebürtiger Amerikaner?«
Ten Hoff sah ihn ungläubig an. »Nein, ich bin natürlich Deutscher. Wie kommen Sie darauf?«
»Na ja, ich kann nicht so gut Englisch, und Sie streuen ab und zu englische Wörter ein, die ich nicht alle verstehe.«
Kommissar Ten Hoff konnte sich vor Lachen kaum noch halten. »Nein, ich bin ein typischer Deutscher. In Rotterdam geboren, mit zwölf Jahren zum Vater nach Aurich und mit 25 Jahren zum Austauschdienst nach New York, Lower Manhattan. Der Slang dort ändert die Lebenseinstellung und den Zungenschlag mehr, als man will. Das waren wirklich wilde Zeiten dort, das streift man nicht mehr ab. Dagegen ist das hier alles mehr oder weniger Routine. Mein Vorname ist übrigens Pieter. Duzt ihr euch in Kiel nicht bei der Kripo?« Er streckte Hansen die Hand entgegen.
Der fühlte sich ein wenig überfordert, denn bis jetzt duzten ihn nur seine Frau und Stuhr. Aber Ten Hoff schien durch und durch ein gerader Kerl zu sein. »Hansen. Sag einfach Hansen zu mir. Das machen alle so bei mir. Pieter, wann und wie kamt ihr auf die Idee, dass da etwas nicht stimmen konnte?«
Sein Kollege stöhnte auf. »Well, Hansen, erst irgendwann am frühen Nachmittag wurde in der Gerichtsmedizin an kaum erkennbaren Einschnürungen festgestellt, dass die mit einem Stein beschwerte Wasserleiche an den Füßen mit einer Angelschnur am Anleger der Atlantis fixiert worden war, damit der Kopf knapp unterhalb der Wasseroberfläche blieb. Deswegen war der Schädel auch so fürchterlich zerquetscht.« Einen passenden amerikanischen Fluch unterließ er jetzt aber, vermutlich wegen der Härte des passenden Ausdrucks.
Der Kieler Kommissar blickte seinen Kollegen skeptisch von der Seite an. »Das erinnert alles ein wenig an die Mafiaopfer, die im Hafen von Palermo unter Wasser an Betonklötze gebunden schwebend eine Mahnwache für Justiz und Verräter sein sollten.«
Ten Hoff reagierte jetzt impulsiv. »Right, that’s it, Hansen. Und deshalb haben wir sofort über Europol einen Abgleich vornehmen lassen, und herausgesprungen ist dein Fall in St. Peter-Ording und der deines Kollegen auf Sylt. Sure, that fits.«
Wieso denn ausgerechnet der Fall auf Sylt? Der war doch völlig anders gelagert. Hatte Hansen etwas übersehen? Gab es etwas, was Ten Hoff wusste und er nicht? »Pieter, kannst du auch Klartext mit mir sprechen?«
Der Kollege aus Cuxhaven referierte seine bisherigen Ermittlungserkenntnisse. »Sure. Wir haben herausgefunden, dass der Tote Volker Krömmer hieß und Aktivist einer Cuxhavener Initiative gegen die Elbvertiefung war.«
Hansen fragte ungläubig nach. »Krömmer war ein Aktivist gegen die Elbvertiefung? Ist die denn ungesetzlich?«
»Das musste ich auch erst einmal nachlesen. Fast jede Dekade wurde die Elbe bisher auf Wunsch der Hamburger Bürgerschaft um ein bis zwei Meter vertieft, weil die Handelsschiffe immer größer wurden und der Fluss und der Tidehub immer wieder Segmente anlagerten. Angeblich soll das ein Staatsvertrag von 1921 hergeben, aber die Stadt Cuxhaven prüft gegenwärtig eine Klage gegen die geplante Elbvertiefung, und auch das Land Niedersachsen ist aus verschiedenen Gründen dagegen. Natürlich würde man gern einen Teil der Container, die nach Hamburg gekarrt werden, nach Cuxhaven, Bremerhaven oder Wilhelmshaven umlenken. Das ist aber Politik. Auf jeden Fall gibt es seitdem in Cuxhaven und in anderen Elborten jeden Ersten des Monats Mahnwachen, und Krömmer ist einer der aktivsten Gegner der Elbvertiefung.«
Den Tiefgang der Elbe, den die Hamburger für die größten Seeschiffe anstrebten, hätte sich
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