Bädersterben: Kriminalroman
jetzt damit beschäftigt, Kaffee aufzusetzen. Olli stand auf und bedankte sich bei ihr für das nette Gespräch.
Sie entschuldigte sich bei ihm, dass sie nun keine Zeit mehr für ihn hatte. »Ich drücke Ihnen beide Daumen für die Bewerbung, Dr. Held. Auf gute Zusammenarbeit.«
Olli verabschiedete sich und verdrückte sich in den Flur. Kurz vor dem Treppenhaus hing ein von einer Plexiglashaube eingerahmtes Telefon an der Wand. Er durchsuchte das beiliegende dünne Helgoländer Telefonverzeichnis. Da war der Buchstabe ›S‹. Sommerfeld, Dr. Ulrike, Kirchstraße 442. Das musste sie sein. Die Kirchstraße befand sich im Oberland bei der Kirche, das Straßenschild hatte er gestern gesehen. Dieses Mal verließ Olli die Anstalt erhobenen Hauptes. Er eilte zum Aufzug. Während er vor der verschlossenen Fahrstuhltür wartete, orientierte er sich auf einer Inselkarte, die sogar die Hausnummern der Straßenecken auswies. Olli hatte sich nicht geirrt. Nach wenigen Minuten öffneten sich die Türen, und heute beförderte ihn ein Mann ins Oberland. Olli bog zweimal um die Ecke, und dann befand er sich bereits auf der Kirchstraße. Jedes Haus hatte eine eigene Nummer, die offensichtlich straßenunabhängig zugeteilt worden war, denn die Kirchstraße war nicht viel länger als ein Sportplatz. Die Hausnummer 442 war an einem kleinen, mit Ziegeln gedeckten weißen Steingebäude befestigt, vor deren Fenster weiße Blumenkästen hingen, aus denen üppige bunte Blüten sprossen.
Olli blickte sich um. Nicht weit von dem Haus der Sommerfeld entfernt entdeckte er auf einer Bank am Rande des Friedhofs unübersehbar eine Gestalt, die trotz des sommerlichen Wetters in einem schwarzen Anzug ungeduldig zu warten schien. Das musste Duckstein sein. Olli flüchtete sich schnell in ein Spirituosengeschäft und näherte sich einem Whiskyregal, das neben dem Schaufenster stand. Während er abwechselnd die eine und andere Flasche prüfend in die Hand nahm, konnte er aus der Distanz Dieter Duckstein gut beobachten, der hinter seiner Spiegelsonnenbrille einen gelangweilten Eindruck machte, jedoch das Haus der Sommerfeld offensichtlich fest im Visier hielt.
Wenig später öffnete sich die Haustür, und eine großgewachsene Dame in einem eleganten Kostüm verließ das Haus. Das musste Frau Dr. Sommerfeld sein. Sie hatte ihre Haare zu einem Knoten hochgesteckt, was ihr einen klassisch-strengen Gesichtsausdruck verlieh. Sie erkannte Duckstein sofort, denn sie wendete sich ab und eilte mit kurzen schnellen Schritten an Ollis Schaufenster vorbei. Sie strebte auf den Fahrstuhl zum Unterland zu. Duckstein versuchte, sich ihr von hinten zu nähern, aber sie wies alle Gesprächsangebote barsch zurück, ohne sich umzudrehen.
Olli verließ das Spirituosengeschäft und folgte den beiden in ausreichender Entfernung. Vor dem Fahrstuhl versuchte Duckstein, sie am Ärmel festzuhalten. Er fing sich prompt eine schallende Ohrfeige ein, und der Aufzugführer weigerte sich in der Folge, Duckstein zu befördern. Als sich die Fahrstuhltür schloss, rannte Duckstein sofort zur Freitreppe und hastete hinunter. Olli konnte schlecht hinterherlaufen, ohne aufzufallen. Also blieb er vor der Fahrstuhltür stehen. Keine Minute später öffnete sich die Tür wieder, und Frau Dr. Sommerfeld stürzte wutentbrannt an ihm vorbei. Sie schien Duckstein überlistet zu haben, indem sie sich gleich wieder hochbefördern ließ.
Mit entschlossenem Schritt marschierte sie direkt auf das Hotel Panoramic zu. Olli entschied sich, vor der Brüstung neben dem Fahrstuhl zu bleiben und den Blick auf das Unterland zu genießen. Er durfte nicht auffallen. Wenig später erhob sich ein heftiges Geschrei hinter den Panoramafenstern des Hotels, und kurz darauf kam Anna Maria Rasmussen außer sich aus dem Hotel gestampft.
Eine Männerstimme rief ihr hinterher. »Anna, nun bleib doch! Das wird sich alles schon irgendwie aufklären.«
Aber Anna blieb nicht, sondern strebte nun ebenfalls dem Fahrstuhl zu. Dr. Sommerfeld blieb von der Bildfläche verschwunden. Olli entschloss sich, gemeinsam mit der Rasmussen Fahrstuhl zu fahren.
Sie schnaubte vor Wut. Unten angekommen, stöckelte sie, so schnell sie konnte, zu den Landungsbrücken. Obwohl Olli Abstand halten musste, konnte er, wie vermutlich die meisten anderen Menschen auch, auf der Brücke mitverfolgen, wie sie bereits aus großer Entfernung Dieter Duckstein wie ein Kesselflicker beschimpfte, obwohl der sich mit dem Dünen-Taxi bereits auf dem
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