Bär, Otter und der Junge (German Edition)
dreißig Minuten unter der Dusche und wechsle ständig zwischen heißem und kaltem Wasser, denn entweder schwitze ich oder ich zittere, und ich schätze, dass ich vielleicht wirklich krank werde. Als ich das prasselnde Wasser nicht länger ertragen kann, klettere ich raus und wickle mir ein Handtuch um die Hüften. Ich wische das Kondenswasser vom Spiegel und starre mein Spiegelbild an. Ich sehe blass und bleich aus. Ich habe dunkle Augenringe und meine Lippen sind aufgesprungen.
Kein Wunder, dass sie mit mir Schluss gemacht hat, denke ich, halb irre. Ich sehe, wie ein Meth-Süchtiger aus.
Es versucht wieder in mir aufzusteigen, dieses Gefühl der Verzweiflung und beinahe lasse ich es zu. Es ist so viel einfacher, einem selbst leid zu tun. Wenn es einer weiß, dann ich. Ich habe eine ordentliche Ladung davon hinter mir. Ich schätze, ich habe es im Griff, als ein winziges Fünkchen hindurch schlüpft und ich sehe, wie die Lippe meines Spiegelbildes leicht zu zittern beginnt. Ich klammere mich an das Waschbecken und versuche, mich dazu zu zwingen aufzuhören, verflucht nochmal, aufzuhören. Mein Spiegelbild scheint auf mich zu hören, als ich es wütend anstarre. Es hört auf zu zittern und dessen Brust hört auf so panisch zu atmen und Blut beginnt die Wangen zu wärmen. Na bitte , denke ich. Na bitte, siehst du? Siehst du? Ich kann das. Ich kann das. Ich verlasse das Badezimmer und beginne mich besser zu fühlen. Es hält nicht lange an.
Ich versuche, über meine Arme zu reiben, aber mir ist noch immer kalt.
Ich ziehe mich an, aber nichts, was ich überstreife, passt richtig.
Ich versuche zu essen, aber alles schmeckt nach Sägespänen.
Ich schalte den Fernseher ein, aber die Lichter tun meinem Kopf weh.
Ich gehe im Wohnzimmer auf und ab.
Ich gehe in der Küche auf und ab.
Ich gehe wieder im Wohnzimmer auf und ab.
Ich schnappe mir meine Autoschlüssel.
Ich steige in mein Auto.
Ich fahre und fahre und fahre und ich denke, dass ich fortgehen werde.
Ich denke, ich werde fortgehen und nicht zurückblicken.
Es wäre einfacher.
Zehn Minuten später werde ich mir meiner Umgebung bewusst und sehe, dass ich auf einer Straße bin, die ich kenne, einer Straße, die ich viel zu gut kenne. Ich versuche mich aufzuhalten, aber ich bin wie auf Autopilot. Mein Kopf ist angenehm benebelt und es fühlt sich an, als hätte ich Watte in den Ohren, denn alle Geräusche sind gedämpft. Ich biege auf die Straße ab, auf der ich, als ich zehn war, von meinem Fahrrad gefallen bin und mir das Knie aufgeschürft habe. Ich fahre an dem Haus vorbei, von dem ich, als ich zwölf war, gemeinsam mit Creed einen Gartenzwerg gestohlen hatte. Ich passiere einen Parkplatz, wo mir als ich fünfzehn war, Mr. Thompson das Autofahren beigebracht hat. Ich fahre in die Einfahrt, in die ich schon unzählige Male abgebogen bin. Ich gehe einen steinernen Pfad entlang, der früher von Gras überwuchert war. Ich läute eine Türklingel, die mich noch immer überrascht, weil sie klingt wie meine eigene. Nichts geschieht. Ich läute erneut. Und wieder. Und wieder. Ich läute, bis ich Schritte höre, und dann öffnet er die Tür und es ist, als wäre ich wieder acht und es ist, als wäre er wieder sechzehn und ich will ihn fragen, ob Creed zu Hause ist, weil ich zum Übernachten gekommen bin, aber ich habe Angst, dass ich wie Glas zerbrechen werde. Ich starre ihn an und er starrt mich an und schließlich sage ich, „Ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll“, und er macht einen Schritt zurück und ich gehe an ihm vorbei in ein Haus, an das ich immer als einen sicheren Hafen gedacht habe. Ich gehe die Treppe hinauf und höre, wie er mir folgt. Ich flehe stumm, dass er nicht redet und er tut es nicht. Das ist gut, denn wenn er reden würde, würde der Autopilot sich ausklinken und die Realität hochfahren. Ich sehe eine Tür, und selbst, wenn darauf nicht länger ein Schild befestigt ist, dass einem Draußen bleiben gebietet, weiß ich, dass es Otters Zimmer ist.
Ich öffne die Tür und das Bett ist durcheinander und ich weiß, dass er geschlafen haben muss. Ich setzte mich auf die Kante, ziehe meine Schuhe aus und klettere hinein. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, mache mir eine Höhle, in der ein Bär schlafen kann. Ich bin so müde, dass ich kaum die Augen offen halten kann, als ich spüre, wie sich die Matratze ein wenig senkt und ich weiß, dass er auch zurück klettert. Ich hebe die Decke, damit er in die Höhle kommen kann. Er kriecht
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