Bären im Kaviar
erwiderten wir: »Nur zwei — aber vergessen Sie nicht, für Ihre
neugierigen Bürger mitzusorgen.«
»Wir werden alle notwendigen
Vorbereitungen für sämtliche Leute, die Sie mitnehmen möchten, treffen«, war
die gereizte Antwort. »Bitte, sagen Sie nur, wie viele es sein werden!«
»Wir sind zu zweit, und dann die vier
GPU-Leute.«
»Sie wollen also sagen: zwei
Personen!« korrigierte man mich.
»Nein«, sagte ich, »es werden sechs
sein.«
In der Jagdhütte waren sechs Betten.
Vier davon existierten wahrscheinlich überhaupt nicht, aber unsere neugierigen
Bürger kamen ganz gut damit zurecht.
Einige der Burschen fanden die
Begleitung zur Jagd gräßlich und schimpften und murrten so ausdauernd, daß ich
ihnen schließlich vor jeder Fahrt einen Tip gab. Dann konnten sie ihre
Schichten entsprechend untereinander verteilen und die Nichtjäger aussondern.
Es ging ganz leicht. Während der Botschafter in seinem Büro beschäftigt war,
spazierte ich einfach auf die Straße und steckte meinen Kopf in den kleinen
Ford, der ein paar Meter von der Botschaft entfernt parkte. »Jagdtag morgen«,
verkündete ich, »bringt Flinten mit, aber laßt Sascha zu Hause. Der jammert
zuviel.«
Sie grinsten und bedankten sich; das
war alles.
Doch als wir zur Elchjagd fuhren, ging
bei ihren Arrangements irgend etwas schief, und Sascha kam doch mit.
Die Anfahrt bis zum Elchreservat war
weit, und es wurde später Abend, ehe wir die Jagdhütte fanden und uns in den
zwei winzigen Räumen heimisch niederlassen konnten. Nach ein paar Bissen
Abendbrot und einigen Glas Wodka entdeckten wir, daß die GPUs zu schwache
Munition mitgebracht hatten. Die Kugeln taugten höchstens für Piepmätze, nicht
aber für acht Zentner schwere Elchbullen.
Nach dem Essen holte ich deshalb ein
paar Extrakugeln und begann die Büchsen neu zu laden. Mit den sowjetischen
Geheimpolizisten um einen Tisch zu sitzen und ihnen die Gewehre zu laden
erweckt reichlich ungewöhnliche Gefühle. Ich glaube, sie waren sich sogar
selber dessen bewußt. Sascha fing wie üblich an zu schimpfen, und zwar diesmal
über die Lausekälte und die schlechtgeheizte Hütte. Da es immer leicht
irritiert, wenn einer der Gäste — zumal einer der ungeladenen — sich über
mangelnde Gastfreundschaft beklagt, fuhr ich ihn an:
»Sascha, zum Teufel — mußt du denn
ewig nörgeln? In Moskau gibt’s massenhaft Leute, die Gott weiß was darum gäben,
wenn sie eine Elchjagd mitmachen dürften.«
Sascha brummte höhnisch: »Huch! In
Moskau muß ich von morgens bis abends zweibeinige Biester jagen, und kaum
machen wir ‘n kleinen Ausflug aufs Land, was muß ich tun? Vierbeinige Biester
jagen!«
Sascha bekam nicht viel zu tun. Am
ersten Tag sahen wir kein Stück Wild, doch sowohl der Botschafter als auch
Sascha kamen mit elend erfrorenen Füßen zurück.
Am zweiten Tag fanden die Treiber eine
Elchherde und trieben sie auf die Jagdgesellschaft zu, die sich nur mehr aus
mir und drei GPUs zusammensetzte.
Elche stehen augenscheinlich nicht
sehr weit oben auf der Intelligenzliste für Tiere. Abgesehen davon sehen sie
nicht gut, können nicht riechen und — wenigstens nach meinen Erfahrungen —
nicht einmal hören. Jedenfalls tauchte aus den Büschen gegenüber dem
Schneeloch, in dem ich stand, plötzlich ein riesiger Elchbulle auf und trottete
schnurstracks auf mich zu. Es war bereits spät in der Saison, und einige Elche
hatten schon die Schaufeln geschoben — auch der Bulle, der sich mir näherte.
Zuerst wollte ich ihn als korrekter Sportsmann und Jäger laufenlassen, doch
dann fiel mir ein, daß der Kreml, falls wir überhaupt keinen Elch schossen, zur
Strafe vermutlich sämtliche Elche liquidieren würde, die ihre Geweihe abwarfen,
ehe sie die Erlaubnis dazu erhalten hatten.
Während ich mir das Problem noch durch
den Kopf gehen ließ, zockelte der taubstumme Bulle näher. Er war sehr groß und
wuchtig und plump, und ich vergegenwärtigte mir jäh, wie es wirken würde, wenn
ich mit leeren Händen, aber zerschrammt und blutig nach Moskau zurückkäme und
als einzige Entschuldigung nur anführen könnte, ein Elch habe mich über den
Haufen gerannt! Vermutlich sähe es etwas albern aus.
Jetzt war das unselige Biest noch
knapp fünfzehn Meter entfernt und trottete munter immer voran. Ich riß die
Büchse hoch und feuerte. Als er endgültig stoppte, steckten seine Vorderbeine
in meinem Schneeloch.
Bären im Ballsaal
Anfang der dreißiger Jahre und bis hin
zu den
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