Bären im Kaviar
wildes Tierchen
kann ja gar keinen Schaden anrichten«, überredete sie mich süß, »zum Beispiel
ein niedliches Bärenbaby!«
Also holten wir ein Bärenbaby aus dem
Zoo und bauten ihm einen kompletten Käfig, in dem sogar ein Raum zum Schlafen
war. Trotzdem rückte es der Direktor nur widerwillig heraus und bestand darauf,
daß es von einem geschulten Bärenkinderpfleger zum Fest begleitet würde. In
lebhafter Erinnerung an den Seelöwenbändiger bat ich ihn flehentlich, dazu
einen Abstinenzler auszuwählen. Er versprach es mir.
All das freilich löste das Problem des
verspäteten Frühlings nicht. Bis zum Ball waren nur noch zehn Tage, und im gesamten
Moskauer Gebiet zeigte sich nicht der Hauch eines Knöspchens. Irgend jemand kam
auf die Idee, es sei vielleicht im Süden wärmer.
Also charterten wir ein Flugzeug und
beauftragten den Piloten, zur Krim zu fliegen und an Blumen mitzubringen, was
er nur eben finden könne. Am nächsten Tag kam ein Telegramm aus Jalta:
»Frühling hier ebenfalls verspätet.«
»Versuchen Sie Kaukasus«, drahteten
wir zurück.
Zwei Tage später war er wieder in
Moskau. Das einzige, was er mitbrachte, war die Nachricht, in Tiflis sei es
noch kälter als in Moskau.
Unsere Hauptsorge galt nun dem
Birkenwäldchen im Ballsaal und dem Rasen, der auf der Büfett-Tafel im
Speisesaal grünen sollte. Die Tafel war extra für diese Gelegenheit angefertigt
worden. Sie war etwa zehn Meter lang und anderthalb Meter breit. Alle zehn,
zwanzig Zentimeter liefen quer durch die Platte kleine eingekerbte Tröge, in
die wir Blumen pflanzen wollten — aber es waren keine Blumen da. Zwischen den
Kerben, da, wo die Schüsseln stehen sollten, hatten wir im Geiste schon Rasen
grünen sehen — aber es war kein Rasen da. Der Ballsaal sollte ein einziges Meer
wilder Blumen sein — aber wilde Blumen waren auch nicht da. Im letzten
Augenblick, als wir endlich anfingen nervös zu werden, kam uns der
Bühnenmeister der Kammerspiele zu Hilfe. Wir brauchten überhaupt keine wilden
Blumen, eröffnete er uns triumphierend. Wir brauchten sie nur auf Glasplatten
zu malen und gegen die weißen Marmorwände projizieren zu lassen.
»Ein
bißchen kalt und tot«, warf Irina zweifelnd ein. »Natürlich könnte man das
Ganze durch eine Voliere lebendiger und lustiger gestalten«, gab der
Bühnenmeister lebhaft zu.
»Noch mehr Wildnis?« fragte ich
unsicher; aber niemandem fiel etwas anderes ein. Wir fischten uns also einen
beschäftigungslosen Künstler zum Blumenmalen und trafen Vorsorge, daß die
Kammerspiele am Abend des Festes geschlossen waren, damit wir ihre Projektoren
benutzen konnten. Die Voliere machte uns zuerst mal wieder ziemlichen Kummer,
bis irgendeiner auf die kluge Idee kam, ein großes Fischnetz zu kaufen, es zu
vergolden und im Ballsaal um zwei Pfeiler zu schlingen. Wir versuchten es, und
siehe da, es klappte! Wieder einmal machte ich mich zum Zoo auf und bat um ein
paar Goldfasanen, Wellensittiche und sonstiges Buntgefiedertes, von dem reichlich
vorhanden war. Der Direktor schlug hundert Zebrafinken vor. »Sie sind klein,
aber hübsch«, erklärte er. Sie waren hübsch und sehr klein. Wie sich
herausstellte, für das Fischnetz gerade ein bißchen zu klein. Gras und Blumen
für die Büfett-Tafel hielten uns auch weiter in Aufregung, bis wir den
glänzenden Einfall hatten, das Botanische Institut der Universität 11m Hilfe zu
bitten.
»Ganz einfach«, sagte man dort, »Sie
können auf nassem Filz in kürzester Zeit Zichorie zum Grünen bringen. Das gibt
einen fulminanten Rasen. Und ein Birkenwäldchen? Oh, stechen Sie die benötigte
Anzahl Birken mitsamt der Wurzel aus und halten Sie sie einige Tage in einem
sehr heißen Raum. Im Handumdrehen schlagen sie aus.«
So legten wir den Dachboden mit nassem
Filz aus, stopften ein Dutzend fünfundneunzig Zentimeter hohe Birkenbäumchen in
eines der Badezimmer und warteten. Die Botaniker behielten recht. Kurz vor dem
großen Tag begann das Gras zu wachsen, die Bäume schlugen aus, und wir alle
stießen einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Jetzt brauchten wir nur
noch die Blumen fürs Büfett. Wir sandten einen Kurier nach Helsinki, das noch
so kapitalistisch verseucht war, daß es Treibhäuser für die Bourgeoisie hatte,
und er brachte tausend Tulpen mit. Zwar war ihm die Bestellung etwas
durcheinandergeraten, so daß er Schnittstatt Topfblumen brachte; aber wir
bewahrten sie kühl auf, und irgendwie blieben sie bis zum Ende des Festes
hübsch
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