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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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und diente oft als direkte Verbindung zwischen ihm und
den ausländischen Botschaften, in denen er sich die meiste Zeit aufhielt.
Nachdem Stalin einmal unserem Botschafter gegenüber erwähnt hatte, daß er
Edgeworth-Pfeifentabak besonders schätze, war es Steiger, dem ich nun monatlich
eine Büchse Edgeworth übergeben mußte.
    Als das Tempo der Säuberungsaktion
immer fieberhafter wurde, machte Steiger von Mal zu Mal einen
niedergeschlageneren Eindruck, fehlte jedoch noch immer auf keinem
diplomatischen Empfang. Eines Abends brachte ich ihn nach einer Cocktail-Party
in der Botschaft mit meinem Wagen nach Hause. Die Zeitung hatte gerade am
Morgen verkündet, daß wieder einige unserer beiderseitigen Freunde auf die
übliche sowjetische Art — Genickschuß — exekutiert worden waren.
    Während der Fahrt durch die kalten,
schneeverwehten Straßen war Steiger ungewöhnlich schweigsam. Ich versuchte,
mich wenigstens mit ihm über das Wetter zu unterhalten.
    »Ja«, sagte er endlich gedehnt, »das
Wetter ist gefährlich — tückisch. In Zeiten wie diesen muß man vor allem dafür
sorgen, daß der Nacken sorgfältig geschützt bleibt.« Er strich sich über Hals
und Haare und lächelte müde.
     
    Genau am nächsten Tag fehlte Steiger
auf einer Botschaftsfeier. Wenige Wochen darauf verkündete die »Prawda«, daß
Boris Sergejewitsch Steiger als Verräter entlarvt und erschossen worden sei —
durch Genickschuß.

Fernost im Westen
     
     
     
    Als ich 1937 nach Berlin berufen
wurde, machte ich mich unverzüglich auf die Reise. Nach Moskau erschien mir
Berlin zunächst auffallend frei. Die Deutschen zögerten wenig oder überhaupt
nicht, mit Ausländern zu verkehren. Zudem verlieh Hitlers »Kanonen-statt-Butter«-Politik
den butterbeladenen Tafeln der Fremden einen erhöhten Reiz. Abgesehen von den
Tischfreuden war Berlin aber nicht viel besser als Moskau. Sehr bald schon
bekam man die Hand der Gestapo zu spüren, und die umlaufenden Gerüchte über
Konzentrationslager, Mißhandlungen und Hinrichtungen erwiesen sich später als
zutreffend.
    Doch ich will lieber erzählen, wie ich
in Berlin zu einem chinesischen Diener kam.
    Eines schönen Abends saß ich lesend in
einer halb im Souterrain gelegenen Wohnung, die ich nach der Münchener Krisis
1938 gemietet hatte. Sie war klein, feucht und dunkel, befand sich aber beinahe
im Keller, was ich für einen großartigen Vorzug hielt. Ich glaubte, sie sei
absolut bombensicher — bis ich sie nach dem Kriege wiedersah. Da glich sie dem
unaufgeräumten Hof einer Ziegelei.
    Ich hörte läuten und das Mädchen die
Tür öffnen.
    Einen Augenblick später fiel ein
Haufen von kleinen Körben aus Weidengeflecht wie eine Wolke ins Zimmer und
barst mitten auf dem Fußboden auseinander. Und ein kleiner, kugelrunder,
gelblich-brauner Chinese kam zum Vorschein.
    »Mich«, sagte der Chinese würdevoll,
auf seinen dicken, vorstehenden Bauch zeigend, »mich — Yang.«
    »Ich bin Mr. Thayer«, entgegnete ich.
    »Sie — Master!« korrigierte Yang.
    Ich hatte einige Monate vorher in Wien
eine Neujahrsfeier mitgemacht. Alle Wiener Feste sind fröhlich; aber dieses war
es in ganz besonderem Maße gewesen. Es war das letzte Neujahrsfest vor Hitlers
Einmarsch in Österreich — und jeder Wiener wußte das. Wir hatten den Abend mit
der traditionellen »Fledermaus«-Vorstellung in der Oper begonnen. Richard
Tauber sang. Da er Halbjude war, sollte es seine letzte Vorstellung sein — auch
das wußte das Publikum. Erst als er wirklich jedes seiner alten Straußschen
Lieblingslieder gesungen hatte, ließ man ihn von der Bühne abtreten. Es war
fast Mitternacht, als wir in der Wohnung des Generalkonsuls ankamen. Walter
Duranty erwartete uns schon. Bill Shirer kam kurz nach uns; er hatte gerade
eine Rundfunkübertragung nach Amerika inszeniert — Weihnachtslieder, von den
Wiener Sängerknaben gesungen — und sah entsprechend erschöpft aus. Chip und
Avis Bohlen hatten sich auf Urlaub aus Moskau eingefunden. Schließlich war
noch, wie immer bei den Wileys, eine große Menge anderer Menschen da: Russen,
Franzosen, Polen, Österreicher und, zum guten Schluß, Fu, Wileys chinesischer
Butler. In seiner weißen Seidenrobe höchst elegant aussehend, reichte er ein
Tablett mit Whisky und Soda herum.
    Es
muß so gegen fünf Uhr früh gewesen sein, als Fu zum x-ten Male an mich herantrat:
    »Whisky-Soda
‘fällig, Mista?«
    Ich
dankte und sagte, ich hätte schon viel zu viele genossen. »Was ich aber
wirklich

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