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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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die kostbaren, purpurnen Delikatessen nur, wenn ich
ganz allein war. Eine Ausnahme machten wir, als Prentiss Gilbert, unser
Botschaftsrat, uns bat, ihn bloß einmal kurz probieren zu lassen.
    »Seit über dreißig Jahren beschreibe
ich jedem langweiligen Tischpartner bei jedem langweiligen Souper, wie die
Dinger schmecken, und ich möchte nun mal wissen, wie weit ich danebengetippt
habe.«
    In Wirklichkeit schmecken
Tausend-Jahr-Eier genau wie hartgekochte Ein-Tages-Eier - höchstens noch etwas
härter. Prentiss Gilbert mußte zugeben, daß seine Beschreibung etwas
übertrieben war.
    Doch selbst für den Zauberer Yang gab
es ein unlösbares Küchenproblem, und zwar: eine europäische Auster zu öffnen!
Bald nach seiner Ankunft kaufte er welche zu einem festlichen Abendessen. Ein
furchterregend bärtiger Professor der Berliner Universität gab mir im
Wohnzimmer gerade Deutschunterricht, als sich plötzlich in der Küche ein Krach
erhob, der sich anhörte, als rattere Yang mit einem Motorrad immer um den
Porzellanschrank herum. Trotz seiner Vehemenz versuchte ich das Geräusch zu
überhören; doch erschien einige Augenblicke später Yang selber im Zimmer. Von
seinem braunen Gesicht tröpfelte der Schweiß in dicken Perlen.
    »Master, Auste nich offen — Yang nich
können.«
    »Sei nicht albern, Yang. Natürlich
kannst du sie öffnen, wenn du nur erst weißt, wie. Ich werd’s dir zeigen.«
    Ich ging ihm voran in die Küche, nahm
ein starkes Messer und begann eine der Austern aufzubrechen. Was aber brach,
war das Messer. Die Auster blieb zu.
    »Verdammt«, fluchte ich und holte den
Werkzeugkasten aus dem Auto.
    Mit einem scharfen Schraubenzieher
attackierte ich die Auster von neuem. Der Schraubenzieher rutschte ab und
bohrte mir ein Loch in den Daumen. Darauf zwängte ich die Auster in eine
Drahtzange und versuchte es damit. Während die Zahl der vergeblich
ausprobierten Werkzeuge anschwoll und das Blut aus meinem Daumen fröhlich durch
die Küche spritzte, stand Yang, die Arme über dem fetten Bauch gekreuzt,
ungerührt daneben. Schließlich jedoch war selbst seine Geduld zu Ende, und er
marschierte zurück ins Wohnzimmer:
    »Plofesso, vielleich Sie könn’
aufmachen Auste, ja?«
    Am Abend gab es Bouillon als ersten
Gang.
     
    Yang war etwa sechs Monate in Berlin,
als ich nach Washington berufen wurde. Ich erzählte ihm die Neuigkeit beim
Frühstück.
    Einen Augenblick war er ganz still,
dann sagte er:
    »Wie geht man nach Amelika, Master?«
    »Natürlich mit einem Schiff.«
    »Gloss Schiff oder klein Schiff,
Master?«
    »Mit einem riesengroßen Schiff«,
erwiderte ich, »es wird nur rund sechs Tage dauern.«
    Wieder
dachte Yang eine lange Zeit tief nach, sein ganzes Gesicht zu einem
Fragezeichen verziehend. Endlich: »Vielleicht Zug nach Amelika meh billig.«
    Ich holte mir einen Bleistift und ein
großes Stück Papier und versuchte, ihm die geographische Unmöglichkeit seines
Vorschlages klarzumachen. Er hatte zweifellos nie eine Landkarte gesehen und
verstand nicht eine Silbe von dem, was ich ihm vorbuchstabierte. Aber es ging
ihm auf, daß die Idee mit dem Zug aus irgendwelchen Gründen nicht opportun war,
und er fand sich ziemlich ungnädig mit dem Schiff ab.
    Erst als wir einen Tag lang auf See
waren, begriff ich plötzlich, was ihn bedrückte. Er hatte mir vorher schon
erzählt, er sei einmal auf einem Schiff im Gelben Meer gewesen und habe es
nicht genossen. Seine Kabine war tief unten im Schiffsbauch, und als er am
ersten Morgen auf Deck nirgends zu erblicken war, kletterte ich zu ihm
hinunter, um mich nach seinem Ergehen zu erkundigen.
    »Master, Yang möchte nach unten«,
jammerte er, »bitte, bitte, Master, mich möch nach unten.«
    »Aber Yang, du bist so tief unten im
Schiff wie nur möglich. Wenn du nur noch ein bißchen tiefer gingest, würdest du
durch den Boden fallen. Komm mit an Deck und schnapp mal frische Luft.«
    »Nein,
Master, nich! Ich will nach unten«, stöhnte er. Schließlich zerrte ich ihn aus
seiner Koje und half ihm an Deck.
    »Bitte, bitte, Master, Yang will nach
unten«, wimmerte er fortwährend, als er nach oben stolperte.
    Endlich erreichten wir das Hinterdeck,
und Yang starrte verblüfft um sich.
    Er starrte links übers Meer, und er
starrte rechts übers Meer. Dann trat er an die Reling, starrte nach oben und
dann auf die wirbelnden Gischtwellen unten.
    »Master«, er weinte fast, »Master —
hier nirgends Platz, wo Yang luntergehen kann?«
    Jetzt endlich begriff ich, was

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