Bären im Kaviar
verstanden, und lächelte fröhlich, als sich der Zug in Bewegung setzte.
Wenige Tage später war ich wieder in Berlin und fand Yang schon vor. »Na, wie
war’s in Wien?« erkundigte ich mich. »Wien viel schön«, meinte er, »bloß viel
schlecht hinkommen.«
Ich
fragte, was daran denn so schwierig gewesen sei.
»Acht Uhr komm. Zug stopp. Yang
aussteigen. Suchen amerikanische Generalkonsul. Doch er nicht Mr. Wiley«,
antwortete Yang.
»Was
soll das heißen? Natürlich ist der Generalkonsul in Wien Mr. Wiley.«
»Nein, nicht Mr. Wiley«, beharrte Yang
und begann in den Taschen unter seinem langen Rock herumzufummeln. Er brachte
eine Visitenkarte ans Tageslicht. Sie war an mich adressiert und lautete:
»Freue
mich, Ihrem Chinamann aus seinem sprachlichen und geographischen Dilemma helfen
zu können.«
Es war die Visitenkarte des
Generalkonsuls in — München. Etliche Zeit später erfuhr ich, daß der Zug um
acht Uhr abends in München und erst um acht Uhr am nächsten Morgen in Wien
ankam. Mein Irrtum.
Bevor Yang mit seinem Korbgepäck
eintraf, hatte ich eine deutsche Köchin gehabt, deren Haupttätigkeit aus
endlosem Lamentieren über die Küchengeräte bestand. Ihren Klagen nach benahmen
sich die Töpfe wie Siebe und die Siebe wie Töpfe. Die Messer schnitten nicht.
Der Fleischhacker war kaputt. Die Kaffeekanne war ein rostiges, verbeultes
Monstrum. Ich zog im Geiste fünfzig Prozent von allem ab und erklärte ihr, bis
zu Yangs Ankunft müßten wir uns eben behelfen. Er sollte sich dann alles, was
er benötigte, selber aussuchen. Yang würde sicher eine geraume Zeit bei mir bleiben
und eine kleine Investierung in Küchengeräten mithin nicht verschwendet sein.
Allem Anschein nach hatte auch Yang vor, länger zu bleiben. Kurz nachdem er
aufgekreuzt war, geriet er eines Abends ins Reden und vertraute mir an, daß
»Master« ihm gefalle und daß er hoffe, jetzt endgültig eine Dauerstellung
gefunden zu haben, denn er liebe Dauerstellungen. Das Dumme an seinen alten
Arbeitgebern in Harbin sei gewesen, daß sie so häufig wechselten.
»Ich
albeiten mit Mr. Page sieben Jah. Dann er weggehen. Albeiten mit Mr. Edwards
sechs Jah. Er weggehen. Albeiten Missee Williams zehn Jah. Sie weggehen. Nicht
gut das. Yang lieben Dauerstellung — nix wechseln alle Moment.« So überreichte
ich Yang denn einen Katalog von Sears Roebuck mit wundervoll bunten Illustrationen
aller Küchengeräte, die sich nur je ein Koch hätte träumen lassen. »Du brauchst
nur auszusuchen, was du haben willst, und ich lasse es sofort kommen«, sagte
ich.
Zwei, drei Tage vergingen, aber Yang
sprach immer noch nicht von neuen Töpfen. Ich ermahnte ihn, möglichst bald
seine Auswahl zu treffen. Eine ganze Minute versank er in tiefes Sinnen. Dann
hielt er die Hände einen knappen Meter weit auseinander:
»Master kaufen Yang gloss Messer!«
Ich kaufte das schwertähnlichste, das
sich in ganz Berlin nur auftreiben ließ, und Yang war hingerissen. Das große
Messer hat uns dann fast zehn Jahre lang rund um den Globus
begleitet.
Trotz aller Lamentos der Köchin, daß
die Kücheneinrichtung ein Haufen alten Gerümpels sei, zauberte Yang mit den
gleichen Geräten die besten Speisen hervor, die ich je in meinem eigenen Hause
gegessen habe. Eine unerreichte Spezialität von ihm waren seine »Curry’s«, die
es in verschiedenen Ausführungen gab. Ein »Zehner-Curry« zum Beispiel bestand
aus Reis und Curryhuhn, umgeben von zehn sorgfältig komponierten Delikatessen,
von Bambusschößlingen bis hin zu Erdnüssen. Zum »Fünfzehner-Curry« gehörten
fünfzehn kleine Schüsselchen, und beim
»Extra-Super-Spezial-Fünfundzwanziger-Curry« umrahmten fünfundzwanzig
differenzierteste Sorten von Wurzeln und Schößlingen, Nüssen, Gewürzen und
Stengeln den Reis und das Huhn.
Eine weitere Delikatesse, mit der mich
Yang bekannt machte, waren seine »Tausend-Jahr-Eier«, die er mir in einem
seiner kleinen Weidenkörbchen von Harbin mitgebracht hatte. Jedes Ei war in
eine dicke Lehmschicht gewickelt, in der es bestem Vernehmen nach seit tausend
Jahren kochte. Einmal, als weit und breit garantiert kein Lauscher war, gab
Yang zu, daß die Eier unter Umständen doch nicht ganze tausend Jahre darin
lägen: »Vielleicht bloß zwei, dlei hundelt Jah«, sagte er augenzwinkernd. Sowie
sich die Nachricht von meinen Tausend-Jahr-Eiern in Berlin verbreitet hatte,
fand ein Sturm sämtlicher Bekannter auf meine Kellerwohnung statt. Aber Yang
war knickerig und servierte
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