Bären im Kaviar
Auto, hob die Haube hoch und
rückte der Maschine mit einem Schraubenschlüssel zu Leibe. Mir war klar: Ließ
man ihm nur halbwegs die Chance, würde er ihn in seine Bestandteile zerlegen.
Deshalb glitt ich in den Führersitz, startete und rief dem Fahrer zu, daß er,
falls er mitkommen wolle, hinten aufspringen könne. Nach diesen Worten brauste
ich in ziemlichem Tempo die Straße entlang.
Hinten rückte man unverzüglich
tiefentrüstet zusammen und versuchte, die Situation zu retten. Ich besäße kein
Recht, ein Staatsautomobil zu fahren. Ich sagte kühl, der Bürgermeister habe es
mir persönlich geliehen, und schließlich sei es nicht meine Schuld, wenn der
Fahrer entweder ein Dummkopf oder ein Saboteur wäre. Der Bürgermeister gab
daraufhin nach, doch der »Diplomlandwirt« widmete sich der Sache mit verstärkter
Vehemenz. Ich hätte kein Recht, ohne Führerschein Auto zu fahren. Ich zog
meinen Führerschein heraus und reichte ihn zur Inspektion nach hinten. Ich
machte mich einer Übertretung der Verkehrsgesetze schuldig und werde
festgenommen werden.
Ich reichte ihm meinen
Diplomatenausweis, auf dem stand, daß ich nicht verhaftet werden durfte.
Ich entführte den Bürgermeister, und
man werde es nach Moskau melden, damit man mich bei meiner Rückkehr bestrafe.
Ich stoppte und bat den Bürgermeister,
auszusteigen, falls er das wünsche. Er blieb sitzen, und ich fuhr weiter.
Mittlerweile befanden wir uns weit vor der Stadt. Zu beiden Seiten erstreckten
sich die unermeßlichen Weiten des Dontales. Ungefähr einen Kilometer weiter
passierten wir Hütten und Scheunen, die ganz offensichtlich zu einer Kolchose
gehörten. Ich hielt den Wagen an und stieg aus. Fünf Minuten später führte der
stolze Leiter der Kolchose seinen amerikanischen Besucher durch den Betrieb,
während der »Diplomlandwirt« und der Bürgermeister mißmutig und niedergeschmettert
hinterdreintrotteten. Mein Begleiter erzählte mir, sie hätten eine Rekordernte
gehabt, und die Verluste seien — wie ich aus den gefüllten Scheunen und eben
abgeernteten Feldern sähe — kaum nennenswert. Das Vieh in den Ställen sah fett
und gepflegt aus. Dieses Kollektiv war eines der am besten funktionierenden,
die ich während all meiner Jahre in Rußland gesehen habe.
»Sie sollten stolz darauf sein«, sagte
ich betont zu dem »Diplomlandwirt«, doch er sah mürrisch beiseite und
antwortete nicht.
Als ich fertig war und wieder zur
Stadt wollte, erbot ich mich, zu fahren, aber der Fahrer meinte mit einem kaum
wahrnehmbaren Zwinkern, zurück glaube er mit dem Wagen wohl fertig zu werden.
Eine halbe Stunde später saß ich schon
wieder mit dem Bürgermeister in meinem Hotelzimmer vor einem Glas Whisky. Der
»Diplomlandwirt« war verschwunden — zweifellos, um das unverfrorene, empörende
Benehmen dieses Amerikaners weiterzuberichten. Ich wandte mich an den
Bürgermeister:
»Es ist einfach unbegreiflich, weshalb
Sie mit aller Macht einen Amerikaner davon abhalten wollen, Ihre Kolchosen zu
besichtigen. Sie sind in wesentlich besserer Verfassung als in den letzten
Jahren. Sie sollten stolz sein, uns zu zeigen, was Sie alles geleistet haben.«
Der
Bürgermeister sah hilflos auf und hob die Hände:
»Mein
Befehl lautete: Nicht aus der Stadt herauslassen!«
Als ich zwei Tage später wieder in
Moskau war, erzählte ich einem Beamten des Außenkommissariates meine Abenteuer.
»Aber machen Sie dem armen
Bürgermeister keine Schwierigkeiten«, fügte ich vorsichtshalber hinzu, »er hat
wirklich sein Alleräußerstes getan!«
Bis auf meine Spritztour nach Rostow
und gelegentliche Kurierfahrten nach Persien waren wir ausschließlich an Moskau
gefesselt und auf seine kleinen Vergnügungen angewiesen. Zu diesen zählte der
Rolls-Royce von Stafford Cripps. Er hatte einem in Leningrad verstorbenen
Engländer gehört. Im Verlaufe der Erbschaftsregelung stellte Sir Stafford,
damals britischer Botschafter in Moskau, ihn zum Verkauf. Der Obermonteur der amerikanischen
Botschaft, Stannard, sah sich ihn gründlich an und berichtete, es ließe sich
noch allerhand mit ihm machen. Wir arrangierten zusammen den Kauf und erstanden
ihn für fünfzig Dollar und eine ziemlich mitgenommene Schreibmaschine. Sir
Stafford war mit dem Handel zufrieden, und wir waren schlechthin entzückt.
Der Rolls war so um fünfundzwanzig
fahre alt. Es war eine Limousine, deren kistenartiger Aufbau hoch auf dem
Chassis thronte und wie ein Turm über alle anderen Wagen hinausragte.
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