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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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tausend Jahren
immer seichter geworden, so daß heutzutage das bloße Schwanzwackel-Kielwasser
eines halben Dutzends persischer Wasser-Moskitos bereits einen erstklassigen
Sturm aufrührt. Davon abgesehen ist der »Krieger« selbst in den sonnigsten
Zeiten alles andere als ein Luxusdampfer. Er hat die Seetüchtigkeit eines
Paddelbootes und ist trautes Heim und natürlich Umgebung für ganze Schaben- und
Wanzenstämme. Die Überquerung der Berge zwischen Kaswin und Pahlevi aber ist
eines der nervenzerrüttendsten Experimente, die ich überhaupt kenne. Die Straße
— eng, enger, am engsten — windet sich in haarsträubenden Kurven über
Felsvorsprünge und an Gebirgsflüssen vorbei. Ein nie endender Strom
überladener, schwankender Lastwagen braust, von opiumberauschten Fahrern
gelenkt, in halsbrecherischem Tempo Tag und Nacht darüber hin. Einmal habe ich
zwei Tage auf der Höhe des Passes mit dem Versuch zugebracht, einen
amerikanischen diplomatischen Kurier — nebenbei bemerkt: einen
Exkriminalbeamten — aus einer Kombination akuter Ruhr und gebrochener
Hinterradachse zu retten. Doch das ist ein anderes Kapitel.
    Als diesmal der Kurier angekommen war
und seine Dokumente an mich weitergegeben hatte, bat ich den Sowjetkonsul in
Teheran um ein Visum über Djulfa. Zuerst erzählte er mir mit aller
Bestimmtheit, daß die Grenze dort geschlossen sei. Ich aber erinnerte ihn an
den »Krieger« und den Gebirgspaß, beschrieb meine krankhafte Empfindlichkeit
gegen Wanzen und Höhenluft und verhandelte des längeren mit ihm. Da er
offensichtlich zu den menschenfreundlicheren Exemplaren der Bürokratie gehörte,
lauschte er teilnahmsvoll und gab mir zum Schluß sogar das erbetene Visum.
    Noch ehe er es sich wieder anders
überlegen konnte, mietete ich ein Auto und brauste los nach Täbris. Mein
Moslemfahrer hielt es für angebracht, eine seiner Frauen und ein einjähriges
Baby mitzubringen. »Sie werden die Fahrt soo genießen!« beteuerte er
fortwährend. Ich weiß nicht, ob die Frau sie genossen hat, das Kind jedenfalls
brüllte vom Augenblick unserer Abfahrt in Teheran bis zur Ankunft in Täbris
spätnachts mit der gleichmäßigen Lautstärke und Melodienfülle einer
schlechtgeschmierten Luftschutzsirene.
    Von Teheran bis Täbris, wo die
Hauptstraße nach Pahlevi nördlich abbiegt, wirbelte eine ununterbrochene Folge
von Lastwagen den Staub so hoch um uns auf, daß wir kaum den Straßenrand
erkennen konnten. In Kaswin verließen wir die Hauptstraße und fuhren auf
Kurdistan zu. Der Verkehr ließ merklich nach, und bald schon traf man nur ab
und zu noch einen Last- oder Personenwagen. Die Perser halten es anscheinend
nicht oft für nötig, ins wilde Hochland der Kurden zu steigen.
    Täbris war einst die südliche
Endstation der Eisenbahn von Tiflis. Die Steinbauten der sonst ganz östlichen
Stadt verleihen Täbris immer noch eine seltsam muffig-modrige europäische
Atmosphäre. Ich verbrachte die Nacht in einem baufälligen alten Gasthof und
machte mich schon in der Frühe des nächsten Morgens mit dem Fahrer — aber minus
Mutter und Kind — auf die letzte Wegstrecke zur nördlichen Grenze. Die Straße
war nur noch wenig mehr als ein Saumpfad durch das öde, felsige Land. Außer
einer gelegentlichen Kamel- oder Eselkarawane oder einem einsamen eingeborenen
Reiter trafen wir nun überhaupt keinen Verkehr mehr. Um Mittag herum erreichten
wir die Ausläufer des Südkaukasus, und nach einigen weiteren Kilometern
gewundenen Weges durch die spärlich besiedelten, von Wind und Sonne
ausgedörrten Hügel trudelten wir in der halbverlassenen Grenzstadt Djulfa ein.
Ich könnte mir vorstellen, daß in jenen fernen Zeiten der funktionierenden
Eisenbahn Djulfa eine ziemlich lebhafte kleine Durchgangsstation gewesen ist.
Heutzutage aber ist es eben nicht einmal mehr eine Endstation. Das in
westlichem Stil erbaute Stationsgebäude ist verlassen, seine Fenster sind mit
Brettern vernagelt. Rundum liegen locker verstreut die flachdachigen, aus
Lehmziegeln erbauten typischen Häuser des Ostens. Als wir durch den Basar
fuhren, sah ich, daß über die Hälfte der marktbudenartigen Geschäfte zu beiden
Seiten der Straße geschlossen waren. Nur in zwei, dreien waren die Rolläden
hochgestellt, um den schlafenden Besitzern etwas Schatten zu spenden. Im Dämmerlicht
dahinter konnte man schwach ein paar Flaschen mit Safran oder Curry, ein halbes
Dutzend alter Reifen und etliche zerbrochene Kerosinlampen erkennen. Mitten im
Ort stoppten wir vor

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