Bärenmädchen (German Edition)
Drehbewegung mit einem Handzeichen. Eine Pause trat ein. Anne wusste nicht, ob Ortega gerade redete oder ob beide sich anschwiegen. Vielleicht wollte Ortega seinem Gegenüber Zeit zum Überlegen geben. Dann redete Adrian weiter: „Ich sag ihnen, was. Weil heute so ein schöner Tag ist, und weil ich hoffe, dass wir uns in New York einigen werden, sage ich zu. Aber eine Bitte habe ich noch…“
Dann wieder sein dröhnendes Männerlachen. Das beherrschte er gut.
„Nein, ihre Seele verlange ich nicht dafür. Dr. Abner würde jetzt wahrscheinlich anmerken, dass sie die ohnehin schon längst einem anderen verkauft haben.“
Diesmal glaubte sie sogar, auch aus dem Handy ein grimmiges Lachen von Ortega zu hören. Dann fuhr Adrian in einem fast nebensächlichen Ton fort: „Sergej, also Señor Rockenbach, hat sich ein bisschen in die Dicke da vorne verguckt. Die, die Ines heißt, und ich brauche schließlich auch jemanden, der mein Bett wärmt, wie man bei uns sagt. Wenn sie mir im Gegenzug die Stute neben Ines überlassen, diejenige, die gerade so wild auf ihrem Gebiss herumbeißt, ist der Handel perfekt.“
Die Pause, die jetzt eintrat, war so kurz, dass Anne nicht einmal Zeit hatte, Angst vor Ortegas Antwort zu bekommen.
„Muchas Gracias, Señor Ortega. Wir sehen uns in New York“, hörte sie Adrian sagen. Er klappte sein Handy zu und versuchte, es in seiner Westentasche zu verstauen. Das fiel ihm schwer. Die Tasche war so klein, das Smartphone so groß und seine Hand zitterte so sehr. Er ist ja noch nervöser als ich, dachte sie staunend. Dann kam er auf sie zu. Wie blass und erschöpft er aussah, aber mit jedem Schritt grinste er breiter. Dann spürte sie seine Hände auf ihrem Körper. Sanft und etwas ungeschickt löste er die Schnallen. Zuerst nahm er ihr das Gebiss aus dem Mund, dann befreite er ihre Arme. Er löste die Riemen, die sie an die Kutsche fesselten. Als letztes entfernte er das Halsband. Undeutlich nahm sie wahr, dass Rockenbach anscheinend neben ihr das Gleiche mit Ines tat. Dann spürte sie endlich seine Lippen auf ihren. Die Welt um sie herum verflüchtigte sich wie ein erotischer Traum. Was blieb? Nur ein Junge, der ein Mädchen liebt. Nur ein Mädchen, das einen Jungen liebt.
14. Kapitel:
Epilog
„Nun erzähl schon, wie hat Dascha reagiert, als ihr klar wurde, was vorging?“
Sieversen beugte sich mit beiden Händen auf seinen Stock gestützt im Sessel vor und blickte erwartungsvoll auf Anne. Die grinste breit. Die Gelegenheit, einen Alpha einmal ausgiebig zappeln zu lassen, konnte sie einfach nicht ungenutzt lassen. Sie tat, als hätte sie plötzlich einen Fussel auf ihrem Korsett entdeckt und als sei es das Dringlichste auf der Welt, ihn umgehend fortzupfen zu müssen. Oh, da war ja noch einer…
Schließlich verlor Miriam, die neben ihr auf dem Teppich in Sieversens Wohnzimmer saß, die Geduld. Sie rammte Anne ihren Ellbogen in die Seite. „Wenn du nicht gleich erzählst, nehme ich den Stock von Herrn Sieversen und prügel dich windelweich damit“, zischte sie.
Anne rieb sich ihre schmerzende Seite. „Immer diese Gewalt. Man kann es doch auch mal mit einem ‚Bitte` versuchen“, maulte sie. „Was sagt ihr denn zu Florence? Ist es nicht toll, dass ihr Gebieter Jean sie auch von Ortega zurückkaufen konnte. Dr. Abner hat es mir heute Morgen erzählt, auch dass Florence außer sich vor Glück ist.“
Da Adrian in New York war, um das Schlichtungstreffen vorzubereiten, hatte sich Ben Abner ihrer angenommen. Das war seltsam, denn er erzog sie nicht nur, sondern betrachtete sie anscheinend auch als eine Art Forschungsobjekt. Er wollte ihre Gefühle für Adrian ergründen. Das schien ihn ungemein zu faszinieren. Er maß Herzschlag, Blutdruck, Gehirnströme und Körpertemperatur, wenn sie mit Adrian telefonierte oder chattete.
„Da muss doch ein Messfehler vorliegen“, stöhnte er dann immer wieder, wenn er die Ergebnisse auswertete, und führte lange Gespräche mit Attila von Ungruhe über die Zuverlässigkeit der Messeinrichtungen im Intelligenten Body. Manchmal bedauerte sie ihn fast. Vor allem, weil er es nicht einmal über sich brachte, das Wort der Worte auszusprechen. Sie konnte nicht anders und musste ihn einfach ein wenig mitleidig anschauen, wenn er vom „L-Wort“ sprach. Das allerdings tat sie heimlich, denn Ben Abner war streng und achtete peinlich genau darauf, dass sie alle Regeln befolgte.
Anne nahm es willig hin, denn sie wollte
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