Ball der einsamen Herzen - ROTE LATERNE - Band Nr. 2 (German Edition)
verkehrte. Und in solchen Gasthäusern wollten andere Leute nicht sitzen.
Kamen wirklich einmal gute Gäste, so verließen sie das Lokal entweder sofort, oder schon nach dem ersten Getränk. Längst trug Karl kein weißes Hemd und Emma keine weiße Schürze mehr. Wenn er seine schmuddelig gewordenen Hosen bemängelte, so sagte Emma, dass sie für dieses Volk lange gut genug sei.
Einen Monat nach der Eröffnung war der Traum vom schönen Gasthaus in die Mittelmäßigkeit einer ordinären Bierkneipe abgerutscht, und man verdiente nur noch an den Schnäpsen, die Tilly flaschenweise schwarz von ihren amerikanischen Freunden organisiert und von denen das Finanzamt natürlich nichts wissen durfte ...
»Also, wir müssen etwas ändern!« stellte Emma eines Abends fest, nach dem sie gegen zwölf Uhr nachts zugesperrt hatte. Sie saß über der Abrechnung. »Wenn das nämlich so weitergeht, kommen wir auf keinen grünen Zweig. Vielleicht lassen wir eine Musikbox aufstellen? Wenn sie gut läuft, haben wir daraus schon die Pacht. Sie macht zwar Krach, aber was soll das schon. Man gewöhnt sich an alles.«
»Ach Emma, ich habe mir das alles anders vorgestellt!« beklagte sich Karl.
»Kann ich etwas dafür?« fuhr sie ihn an. »Hättest du mal dein Geld besser angelegt, könnten wir heute im Bergischen sitzen und brauchten uns nicht mit dieser Bude zu ärgern. Schuld bist nur du allein!«
»Du hast es doch gewollt!« begehrte er auf. Er hatte heute mit den Gästen ein paar Schnäpse getrunken, und das machte ihn ziemlich mutig. »Du hast doch auch diese Tilly angeschleppt. Die ist doch eine gewöhnliche Nutte!«
»Na und?« schrie Emma. »Sie bringt uns den Schnaps. Und darüber hinaus kann sie machen was sie will!«
»Aber die Leute reden darüber, dass so eine bei uns im Haus wohnt!«
»Die Leute können mir gestohlen bleiben!« sagte Emma. »Du bist ja betrunken! Fang nur nicht zu saufen an, sonst schmeiß ich dich raus!«
»Was willst du?«
»Sitzt du auf deinen Ohren?« fragte sie. »Wenn du säufst, dann fliegst du hier raus!«
»Aber ich habe mein Geld reingesteckt!« jammerte er.
»Der Pachtvertrag geht auf meinen Namen!« sagte sie. »Geh ins Bett und schlaf deinen Rausch aus!«
»Warum bist du nur so gemein zu mir, Emma?« fragte er weinerlich.
»Weil du dämlich bist«, sagte sie. »Du bist doch kein richtiger Mann. Zu nichts kann man dich gebrauchen. Nicht mal im Bett taugst du etwas!«
Da schlich er davon wie ein geprügelter Hund, und sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Wurde denn ihr Leben nie anders? musste ihr denn immer alles schieflaufen? Sie verstand sich und die Welt nicht mehr. Sie hatte auch gar nicht so gemein zu Karl sein wollen. Aber ihre Nerven waren eben sehr strapaziert.
Am anderen Tag waren sie wieder freundlich und nett zueinander. Doch das Listige und Verschlagene von Emma übertrug sich allmählich auf Karl. Es hatte ihn tief getroffen damit, dass sie ihn mit Rausschmiss gedroht hatte.
Und deshalb beschloss er, sich so allmählich ein kleines Finanzpolster zuzulegen. Wenn das Geschäft gut ging, schaffte er aus der Kasse immer mal heimlich fünfzig oder hundert Euro zur Seite und versteckte sie im Keller hinter dem Weinregal.
Allabendlich betrachtete er seinen wachsenden Schatz und rieb sich die Hände.
»Na, warte nur, du Biest!« murmelte er, denn inzwischen sah er seine Frau nicht anders. »Wenn ich gehen muss, dann nehme ich das mit, was ich dir gegeben habe!«
Er ordnete sich vorläufig noch unter. Emmabestellte eine Musikbox, und ein paar Tage später schon wurde sie aufgestellt. Die Box lief gut. Aber trotzdem war es noch nicht das wahre Geschäft, das sich Emma so sehr herbeisehnte.
Ab und zu kamen ein paar Fernfahrer in die Kneipe >Zur Autobahn«. Man mochte Emma; wegen ihrer kumpelhaften Art war sie ziemlich beliebt unter diesen rauen Kerlen, den Kapitänen der Landstraße.
Muttchen nannte man sie, und sie war darüber eigentlich ganz glücklich, denn in diesem Wort lag eine gewisse Vertraulichkeit, die man sich nicht einfach kaufen konnte.
Einer dieser Männer hieß Harro, war groß und breitschultrig und kam aus Muttchens Heimat, der Stadt Berlin. Mit ihm saß sie oft beim Zocken zusammen, sie tranken und lachten. Und ab und zu übernachtete er auch in einem der Fremdenzimmer.
dass er sich mit Tilly Tellmann angefreundet hatte, störte Emma nicht. Tilly konnte machen, was sie wollte. Sie zahlte im Monat zweihundert Euro für das Zimmer. Alles andere war Emma
Weitere Kostenlose Bücher