Ballade der Liebe
Karten, meine Herren …“, bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
Letty drohte ihr mit dem Zeigefinger. „Höre auf deinen Vater, Mädchen. Er handelt nur in deinem Interesse.“
Um nicht länger mit ihr reden zu müssen, spähte Rose wieder durch den Vorhang. Die Männer, die sich um ihren Vater scharten, wirkten im schwachen Schein der Laternen irgendwie gespenstisch, wie flatternde Fledermäuse. Rose fröstelte. Sollte Letty nur reden. Sie jedenfalls genoss ihren Erfolg als Sängerin. Nach der Saison in Vauxhall würde sie gewiss ein neues Angebot bekommen, und bald konnte sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Dann konnte sie es sich leisten, auf die Liebe zu warten.
Roses Finger am Vorhang schlossen sich zur Faust. So lange, bis ihr die wahre Liebe begegnete, wollte sie singen und sich gegen alle Pläne, die ihr Vater und Letty ausgeklügelt hatten, zur Wehr setzen.
Während sie durch den schmalen Schlitz im Vorhang spähte, fragte sie sich, ob eine dieser schattenhaften Gestalten der Mann sein könnte, der ihr vorhin aufgefallen war. Wäre er der Richtige? Der Mann, der sie lieben würde? Doch unter all den Herren, deren Visitenkarten und Geschenke ihr Vater einsammelte, konnte sie keinen entdecken, der infrage käme.
Letty trat hinter sie und zog den Vorhang weiter auf. „Dein Vater ist ein kluger Mann; er hält die Bewerber erst einmal hin. Das erhöht ihre Bereitschaft, mehr zu bezahlen in der Hoffnung, dich zu erobern.“ Sie machte eine Pause, und Rose spürte geradezu, wie das Räderwerk ihrer Gedanken sich drehte. „Aber nicht zu lange. Wenn sie über Gebühr warten müssen, kühlt das Interesse ab.“
Mittlerweile waren die Arme ihres Vaters beladen mit Blumen und kleinen Paketen, in einer Hand hielt er einen Stapel Visitenkarten. Er wandte sich zum Gehen, als ein Nachzügler vortrat. In der schwachen Beleuchtung konnte Rose ihn nur undeutlich sehen; er trug einen dunklen Gehrock und glich in etwa ihrem Bewunderer aus der ersten Reihe.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, die Knie wurden ihr weich.
Ihr Vater und die Schattengestalt wechselten ein paar Worte, bevor der Fremde sich nach einer eleganten Verneigung entfernte und Alroy O’Keefe die Garderobentür aufriss.
Er ließ die duftenden Blumen und Päckchen auf den Tisch fallen und wandte sich an Rose. „Nimm mir die oberste Karte ab.“
Sie zog die Karte heraus und las: „Marquess of Tannerton.“
Ihr Vater warf den restlichen Stapel achtlos auf den Tisch. „Ich gab ihm die Zusage, morgen um vier Uhr bei uns vorzusprechen.“
Lettys Augen glitzerten. „Das war der Marquess?“
„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete ihr Vater mit einem ängstlichen Lächeln. „Ich war völlig verdattert, muss ich zugeben. Habe gar nicht richtig gehört, was er sagte. Ich hörte nur ‚Marquess‘ und lud ihn für morgen um vier Uhr ein.“ Er bedachte Rose mit einem nachsichtigen Blick. „Du musst diesen Marquess kennenlernen, Mary Rose.“
Sie sollte erfreut sein, das Interesse eines adeligen Herrn geweckt zu haben, doch es wollte sich keine Freude einstellen. Was immer zwischen einem Marquess und einer Sängerin geschehen könnte: Liebe hätte nichts damit zu tun.
Rose seufzte. Sie musste diesen Mann abweisen, durfte ihm keine Hoffnungen machen. Sie war zuversichtlich, sich genügend Kenntnisse im Umgang mit feinen Herren angeeignet zu haben, um unerwünschte Artigkeiten abzuwehren. Ihr lag nur daran, diesen Sommer in Vauxhall zu singen und Mr. Hook davon zu überzeugen, dass er sie mit besten Empfehlungen an andere Theaterdirektoren der Stadt weiterreichte. Rose wollte singen, das nächste Mal vielleicht auf einer richtigen Bühne in einem richtigen Theater. Sie träumte davon, eines Tages Hauptrollen in Opern zu singen, Lobeshymnen über ihre Sangeskunst in allen Zeitungen zu lesen. Ihr Bild sollte auf Theaterplakaten prangen, Theaterdirektoren sollten erbitterte Konkurrenzkämpfe austragen, um ihr Haus mit der berühmten Sängerin Rose O’Keefe zu schmücken.
Bis es so weit war, wollte sie jeden Penny sparen, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können, damit Letty nicht länger Anlass hatte, ihrem Vater vorzuwerfen, seine Tochter liege ihm auf der Tasche. Rose wollte den richtigen Platz im Leben finden und sich nicht mit faulen Kompromissen zufriedengeben. Keinesfalls wollte sie ihr Herz an einen Marquess verlieren, dem es nur um ein seichtes Vergnügen ging. Auch wenn er blendend aussah. Auch wenn ihr Blut bei
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