Ballade der Liebe
seinem Anblick in Wallung geriet.
Um ihren Vater nicht zu enttäuschen, wollte sie ihn glauben lassen, sie füge sich seinen Wünschen.
„Ich werde den Marquess empfangen, Papa“, sagte sie.
Flynn stieg aus der Mietdroschke, ging zu Fuß die Langley Street entlang bis zu der Adresse, die O’Keefe ihm genannt hatte, und blieb schließlich vor einem schlichten Mietshaus stehen. Er holte tief Atem und ermahnte sich nicht zum ersten Mal, dass seine gestrige Schwärmerei für die Sängerin in Vauxhall seinem übermäßigen Arrakgenuss zuzuschreiben war. Mittlerweile hatte er wieder einen klaren Kopf.
Rose O’Keefe würde sich – ebenso wie Tanners frühere Eroberungen – als geschäftstüchtige junge Dame erweisen, die damit rechnete, ihren Preis in die Höhe zu treiben, wenn sie geschickt taktierte. Flynns Aufgabe bestand nicht zuletzt darin, dass Tanner keinen Penny mehr bezahlte, als sie wert war – und ihr Preis durfte nicht höher liegen als der ihrer Vorgängerinnen.
Vor der Haustür zog Flynn an den Manschetten seines Gehrocks, denn das äußere Erscheinungsbild war wichtig in solchen Verhandlungen. Er räusperte sich, öffnete die Tür und betrat einen dämmrigen Vorraum.
Nachdem seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, stieg er die Holztreppe hinauf und klopfte im ersten Stock an eine Wohnungstür. Als der Knauf gedreht wurde und die Tür langsam geöffnet wurde, verspürte er eine Enge um die Brust, als sei er von Mayfair nach Covent Garden gerannt.
Seine Beklommenheit wich, als Mr. O’Keefe ihn in ein Zimmer mit abgewetzten Polstermöbeln führte, deren Schäbigkeit von einer verschwenderischen Blumenfülle auf jeder nur denkbaren Abstellfläche gemildert wurde. Flynn beglückwünschte sich, in weiser Voraussicht auf ein weiteres Blumenbouquet verzichtet zu haben. Er befühlte die Innentasche seines Gehrocks, in der er Tanners Mitbringsel verwahrte.
„Guten Tag, Sir.“ O’Keefe verneigte sich zum wiederholten Male. „Sehr erfreut über Ihren Besuch.“
„Guten Tag, Sir.“ Eine stark geschminkte Frau in einem grellgrünen Kleid mit gewagtem Ausschnitt versank in einen tiefen Knicks.
O’Keefe nahm dem Besucher Hut und Handschuhe ab und wies auf die üppige Frau. „Miss Dawes, eine gute Freundin von Rose und mir.“
Sie versank erneut in einen Knicks.
Die Unterwürfigkeit der beiden störte Flynn sehr, bis ihm dämmerte, dass sie ihn für Tanner hielten. „Bedauerlicherweise versäumte ich gestern Abend, Ihnen meinen Namen zu nennen. Ich bin Jameson Flynn, der Sekretär des Marquess of Tannerton …“
Roses Vater war sichtlich erleichtert.„Aha“,sagte er in beinahe normalem Tonfall und streckte Flynn die Hand entgegen. „Freut mich, dass Sie gekommen sind.“
Flynn schüttelte ihm die Hand. „Und ich freue mich, dass Sie mir gestatten, vorzusprechen.“
O’Keefe machte eine einladende Handbewegung, und Flynn nahm auf dem verschossenen Samtsofa Platz, während sein Gastgeber, ein spindeldürrer, untersetzter älterer Mann, sich auf einen Stuhl setzte.
„Ich komme im Auftrag des Marquess“, begann Flynn, „dem die schöne Stimme Ihrer Tochter in Vauxhall Gardens auffiel. Er möchte sie kennenlernen.“
O’Keefe hörte aufmerksam zu und nickte.
Flynn fuhr fort: „Es ist mir ein Anliegen, Miss O’Keefe die Grüße und Hochachtung des Marquess persönlich zu überbringen, wenn dies möglich ist.“
„Ich hole sie“, bot Miss Dawes eifrig an. „Ich verstehe gar nicht, wo sie bleibt.“
„Dafür bin ich Ihnen sehr verbunden.“ Flynn sah Miss Dawes hinterher, als sie eilig durch eine Seitentür verschwand.
„Rose!“, hörte er ihre scharfe Stimme.
Flynn furchte die Stirn.
„Sie wird jeden Moment hier sein“, meinte O’Keefe zuversichtlich.
Flynn hatte nicht vor, die Verhandlungen mit dem Vater zu führen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass ein persönliches Gespräch mit der jeweiligen Dame zu schnellerem Erfolg führte.
„Da ist sie schon“, flötete Miss Dawes an der Tür und trat beiseite.
Rose O’Keefe bewegte sich so anmutig, dass sie über dem Boden zu schweben schien. Im hellen Tageslicht und aus der Nähe verschlug ihm ihre Schönheit den Atem. Ihr fein geschnittenes ovales Antlitz, umrahmt von rabenschwarzen Locken, wirkte beinahe transparent in seinem makellosen Elfenbeinschimmer. Aber noch faszinierender waren ihre Augen, von einem Grün wie die wogenden Hügel seiner irischen Heimat, das ihn verzauberte.
Flynn erhob sich
Weitere Kostenlose Bücher