Ballade der Liebe
zögernd.
Bevor er etwas hervorbrachte, sagte sie: „Und Sie sind?“
Ihr Vater sprang auf und trat neben sie. „Mary Rose, Mr. Flynn ist der Sekretär des Marquess of Tannerton.“
Ihre faszinierend grünen Augen weiteten sich ein wenig.
Flynn verneigte sich. „Miss O’Keefe.“
Sie erholte sich rasch von ihrem Erstaunen. „Sie wollen mich sprechen, Sir?“
Er hörte den Hauch eines irischen Akzents, den sie offenbar nicht völlig abgelegt hatte. „Ich komme im Auftrag des Marquess …“
„Verstehe“, unterbrach sie ihn. „Was könnte ein Marquess von mir wünschen, worum er mich nicht persönlich bitten kann?“
Verdutzt blinzelte Flynn.
„Mary Rose!“, wies ihr Vater sie zurecht. „Hüte deine Zunge.“
„Tu gefälligst, was dein Vater sagt“, fauchte Miss Dawes.
Rose bedachte die Gefährtin ihres Vaters mit einem widerwilligen Blick. Die Sache nimmt keinen günstigen Verlauf, dachte Flynn. Allem Anschein nach wollten der Vater und diese vulgäre Person das Mädchen zu diesem Schritt zwingen. Tanner aber interessierte sich nicht für Frauen, die gezwungen wurden, sein Bett zu teilen. Flynn musste persönlich mit Miss O’Keefe verhandeln, um sich zu vergewissern, dass sie bereit war, sich auf den Handel einzulassen.
Im Augenblick machte sie allerdings keineswegs den Eindruck, zu irgendetwas bereit zu sein.
„Ich wünsche, mit Miss O’Keefe alleine zu sprechen, Sir“, sagte er leise, aber bestimmt.
O’Keefe machte ein unschlüssiges Gesicht.
Miss Dawes hingegen hob warnend den Finger. „Sei ein braves Mädchen.“ Damit schob sie den Vater aus dem Zimmer.
Flynn wandte sich an Miss O’Keefe, deren Blick seltsam gehetzt wirkte.„Ich möchte Sie nicht in Verlegenheit bringen, Miss“,sagte er leise.
Anmutig winkte sie ab. „Aber nein, das tun Sie keineswegs.“
Er schwieg, überlegte seine nächsten Worte.
Sie sprach zuerst. „Sind Sie aus einem bestimmten Grund gekommen, Mr. Flynn?“ Ihre Stimme klang gepresst, in den Winkeln ihrer schön geschwungenen Lippen bildeten sich winzige Fältchen.
Flynn wurde stutzig. Diese junge Dame schien keineswegs an einem Antrag interessiert zu sein. „Ja, gewiss. Es handelt sich um Lord Tannerton.“
„Wollen Sie sich setzen, Sir?“, fragte sie verkrampft höflich.
Er neigte den Kopf und wartete, bis sie ihm gegenüber Platz genommen hatte, bevor er sich gleichfalls setzte.
„Was sagten Sie, Mr. Flynn?“
Er begann erneut. „Ich sagte, der Marquess hörte Sie in Vauxhall singen …“
„Und Sie, Mr. Flynn? Haben Sie mich ebenfalls singen gehört?“ Sie schien es regelrecht darauf anzulegen, ihn ständig zu unterbrechen.
„Ja, Miss O’Keefe, auch ich hatte das Vergnügen.“
Ein flüchtiges Lächeln umspielte ihre Lippen. „Hat Ihnen mein Gesang gefallen?“ Sie senkte den Blick, und er bewunderte ihre langen seidigen Wimpern.
„Sehr sogar“, antwortete er und hatte Mühe, einen klaren Kopf zu bewahren.
Sie faltete die Hände im Schoß. „Flynn … das ist ein irischer Name. Woher kommen Sie, Mr. Flynn?“
Flynn war nicht daran gewöhnt, sich die Führung in einem Gespräch entziehen zu lassen, was ihn beinahe ebenso störte wie ihr offensichtliches Widerstreben, zum Punkt zu kommen. Beinahe so sehr, wie ihre Augen ihn verstörten.
„Woher ich komme?“, wiederholte er.
„Ja, aus welcher Gegend in Irland stammen Sie?“
Er konnte sich nicht entsinnen, wann ihm je diese Frage gestellt worden wäre. „Aus County Down, in der Nähe von Ballynahinch.“
Ihre bezaubernd grünen Augen blitzten. „Ich bin in Killyleagh zur Schule gegangen.“
„Genau wie meine Schwester.“ Die Antwort sprudelte ohne sein Zutun über seine Lippen.
„Ach ja?“ Sie wurde nachdenklich. „Heißt sie zufällig Siobhan? Zwei Klassen über mir gab es eine Siobhan Flynn.“
Siobhans Name trug ihn in Gedanken zurück nach Ballynahinch. Die kleine Siobhan. Sie war elf, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Wie alt mochte sie jetzt sein? Einundzwanzig?“
Das bedeutete, dass Miss O’Keefe nicht älter als neunzehn war. Kein Wunder, dass ihr Vater seine schützende Hand über sie hielt.
„Das könnte sie gewesen sein“, sagte Flynn.
In Roses Augen tanzten Funken. „Wie geht es ihr? Ich bekomme nur selten Nachricht von ehemaligen Schülerinnen.“
Flynn wurde mit einem Mal klar, dass er nur das über Siobhan wusste, was seine Mutter ihm in ihren Briefen mitteilte. „Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.“
Miss O’Keefe
Weitere Kostenlose Bücher