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Ballard, James G.

Ballard, James G.

Titel: Ballard, James G. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Welt in Flammen
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Straßen und Gehsteige und versuchte sich daran zu erinnern, ob alle
Spuren im Sand wirklich von ihm stammten. Ein Windstoß wirbelte große
Staubwolken auf, und irgendwo klapperte ein blechernes Ladenschild gegen eine
Mauer.
    Ransom ging darauf zu, drehte sich
dann plötzlich um und rannte durch den Sand zum Fluß zurück, wo die anderen auf
ihn warteten.
     
    Sie zogen weiter flußaufwärts.
Diesmal rasteten sie weniger oft, sondern schoben den Karren fast
ununterbrochen über die grellweiße Fläche. Weit hinter ihnen, wo die Brücke mit
dem ausgebrannten Zug stand, hingen noch immer schwarze Rauchwolken am
wolkenlos blauen Himmel.
    Am Spätnachmittag stellten sie fest,
daß die Stadt acht Kilometer hinter ihnen brannte. Dunkle Rauchschwaden stiegen
aus den Straßen auf. Das Feuer sprang von Dach zu Dach, so daß innerhalb von
zehn Minuten eine schwarze Wand den Horizont im Süden verdeckte.
    »Doktor Ransom!« Philip Jordan kam
auf ihn zu, als er gegen den Karren gelehnt stehengeblieben war. »Haben Sie in
der Stadt Feuer gemacht? Sie sind zu einem Spaziergang fortgewesen.«
    Ransom schüttelte den Kopf. »Nein,
das glaube ich nicht, Philip. Aber ich habe Zündhölzer bei mir gehabt –
folglich hätte ich es also tun können.«
    »Haben Sie es getan? Erinnern Sie
sich nicht mehr?« Philip beobachtete ihn aufmerksam.
    »Nein. Ich weiß aber bestimmt, daß
ich es nicht getan habe. Weshalb auch?«
    »Schön, vielleicht haben Sie recht.
Aber ich nehme die Zündhölzer in Verwahrung, Doktor.«
    Von dann ab war Ransom davon
überzeugt, daß sie verfolgt wurden, obwohl Philip ihn im Verdacht hatte, die
Feuer gelegt zu haben. Seltsamerweise fand Ransom diesen Verdacht ganz logisch
und konnte oder wollte die Möglichkeit nicht ganz ausschließen, doch selbst der
Brandstifter gewesen zu sein. Die Landschaft hatte sich inzwischen merklich
verändert. Hier erstreckte sich nicht mehr die weite Küstenebene, aus der sich
nur vereinzelte Getreidesilos oder Bäume erhoben. Die Überreste kleiner Städte
gaben den sandigen Ufern ein unruhiges Aussehen, denn sie zerstörten die
natürliche Monotonie, die bisher den Charakter der Landschaft geprägt hatte.
Zwischen den Dünen am Fluß und auf den Straßen, die zum Ufer führten, standen
unzählige Autowracks. Überall erhoben sich Metalltürme und hohe Fabrikkamine.
Selbst die Fahrrinne des Flusses enthielt mehr gestrandete Schiffe, so daß sie
sich mühsam an Dutzenden von halb unter dem Sand begrabenen Schiffsrümpfen
vorbei arbeiten mußten.
    Sie erreichten die gesprengte
Straßenbrücke, durch die sie vor zehn Jahren während der Fahrt zur Küste
aufgehalten worden waren. Als sie zwischen den Pfeilern hindurchgingen,
erinnerte Ransom sich wieder an den einsamen Spaziergänger, den sie damals hier
beobachtet hatten. Er verließ den Karren und ging voraus, um nach Spuren dieser
geheimnisvollen Gestalt zu suchen. Das weiße Flußbett wirkte plötzlich so
strahlend hell, daß er kurz die Augen zusammenkniff, bis sie sich wieder an
diesen Glanz gewöhnt hatten. In dieser Sekunde sah er etwa dreihundert Meter
vor sich einen Mann, auf dessen Rücken die Sonne schien, als er in einem
ausgetrockneten Nebenarm des Flusses verschwand.

12
     
     
    Dieses Bild tauchte mehrmals wieder
vor seinem inneren Auge auf, während sie die letzten Etappen ihrer langen
Wanderung nach Mount Royal zurücklegten. Als sie zehn Tage später die
westlichen Außenbezirke der Stadt erreichten, war es für Ransom untrennbar mit
den übrigen gespenstischen Erscheinungen der öden Landschaft verbunden, die sie
durchquert hatten. Das gleichmäßig helle Licht, das Fehlen jeglicher Farben und
das brillante Weiß der steinigen Wüste gaben ihm das Gefühl, durch einen
riesigen Friedhof zu marschieren. Wenn sie abends ihr Lager zwischen den Dünen
aufschlugen, hörten sie irgendwo im Nordwesten das gleiche unsichtbare Tier,
dessen langgezogenes Heulen vor ihrem Kommen zu warnen schien.
    Sobald sie bei Tagesanbruch ihren
Marsch fortsetzten, sahen sie wieder die Feuer hinter sich. Die schwarzen
Rauchwolken stiegen irgendwo aus der Wüste auf und bezeichneten den Verlauf des
ausgetrockneten Flußbetts. An manchen Tagen brannten sogar sechs oder sieben
Feuer gleichzeitig, so daß eine ganze Kette von Rauchsignalen entstand.
    Ihr Wasservorrat war jetzt fast
erschöpft. Da sie bisher weder Quellen noch unterirdische Wasserläufe entdeckt
hatten, war der ursprüngliche Zweck ihrer Expedition längst unerfüllbar
geworden.

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