Ballsaison: Palinskis siebter Fall
sagte dann etwas von »Arschlecken« und legte einfach auf. Anschließend beauftragte er die Sekretärin, den VIP-Klub des Einkaufszentrums am Fuße ›des Baums des Lebens‹ ab 17.00 Uhr zu reservieren. Weiters verlangte er, dass ein großer 16:9 Flatscreen aufgestellt wurde, damit er sich das Fußballspiel ansehen konnte, während er in aller Öffentlichkeit dem Erpresser trotzte.
Der ›Baum des Lebens‹ ging auf eine Idee des Konsuls zurück und stellte eine zweifache Allegorie dar. Horizontal zeigte die gewaltige, aus Stahl, verschiedenen Metallen und Kunststoffen bestehende Skulptur den Ablauf des Jahres, also die vier Jahreszeiten, vertikal entlang des Stammes die Entwicklung des Menschen vom Säugling bis zum Greis.
Das fast 15 Meter hohe Kunstwerk war in seiner vordergründigen, anbiedernden Symbolik von exemplarischer Scheußlichkeit und von den meisten Beschäftigten des EKZs nur mit sehr viel Ironie zu ertragen. Vor dem ›Baum des Lebens‹, der im hinteren Drittel der einem glasüberdachten Innenhof nachempfundenen Plaza stand, befand sich eine für maximal 32 Personen Platz bietende, sehr komfortable Sitzgruppe mit Bar und allem anderen, was es brauchte, um den Auserwählten das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein. Eben der bereits erwähnte VIP-Klub.
Betuchte Interessenten konnten dieses exklusive Geviert stundenweise reservieren lassen, um wichtige Gäste entsprechend verwöhnen zu können. Bei Reservierungsgebühren von 200 Euro je Stunde wurde von diesem Angebot aber nur relativ wenig Gebrauch gemacht. Um ehrlich zu sein, eigentlich überhaupt nicht. Und so wurde der Klub von den Insidern hinter vorgehaltener Hand auch als ›Kehls Schrebergarten‹ bezeichnet.
Genau hierher wollte sich Herr Konsul Dr. h. c. Hans Jürgen Kehl ab 17.00 Uhr setzen, das Fußballmatch gegen die Ösis angucken, ein paar Pils zischen und gleichzeitig dem Bösen die Stirne bieten.
Er war schon ein bemerkenswerter Mann, der Herr Konsul Kehl.
* * *
Harry hatte dann noch die Idee gehabt, Florian Nowotny anzurufen und als Verstärkung für die aus der Situation entstandene ›Sondereinheit Konsul Emden‹ zu gewinnen. Immerhin war Palinskis Assistent Polizist und verfügte über besondere Talente.
Die Einsatzbesprechung beim ›Ruckenbauer‹ am Beginn der Sieveringer Straße war wesentlich entspannter, als der Anlass hätte vermuten lassen. Ja, sogar oder besonders Miki Schneckenburger wuchs über sich hinaus und benahm sich gar nicht wie ein Beamter. Eher fast schon wie ein normaler Mensch. Nachdem sich die vier durch die Eiskarte gefressen hatten, legten sie sich einen Plan zurecht, dessen Eleganz so schlicht war, dass sie eigentlich nicht weiter auffiel.
Sie würden sich einfach um das EKZ herum verteilen und versuchen, den als Konsul Emden oder Dr. Matreier oder möglicherweise auch in einer neuen Verkleidung auftretenden Johann Friedrich Kehl aufzuspüren. Danach musste der Mann so rasch wie möglich dingfest gemacht werden, und zwar so, dass er keine Gelegenheit mehr hatte, eventuell noch eine Explosion auszulösen. Das war’s dann auch schon, den Rest nach der privaten Festnahme konnte die Polizei erledigen.
Nachdem ein Foto Kehls herumgegangen war, erläuterte Harry noch die auffallende Gestik des Gesuchten, besonders den symbolhaft wie einen Spieß benutzten Zeigefinger. Wiegele wies dann noch ausdrücklich darauf hin, dass Kehl entweder unverkleidet und humpelnd oder in Verkleidung, dafür aber ohne Behinderung in Erscheinung treten konnte.
Allen war klar, dass die Chancen, den Gesuchten zu finden, nicht sehr groß waren. Dazu war das Gelände um das Einkaufszentrum, das schließlich nahtlos an das Fußballstadion anschloss, einfach zu groß. Und die U-Bahn-Station, die dieser Tage Unmengen von Passagieren ausspie, lag unmittelbar daneben.
Darüber hinaus war die gesamte Umgebung des Stadions zu einer ›Fan-Arena‹ mit zwölf Videowalls und Dutzenden von Fress- und Saufständen, 20 mobilen WC-Anlagen und zwei Erste-Hilfe-Posten umgestaltet worden. Inoffiziell wurden bis zu 150.000 Menschen erwartet, die sich mangels Eintrittskarten das Spiel vor den Toren des Stadions ansehen würden.
Wiegele war aber sicher, dass Kehl, falls er tatsächlich der lang gesuchte Konsul Emden sowie sein Vater der »Alte« war, dem er es zeigen wollte, alles tun würde, damit dieser »Alte« auch wusste, wem er das Ganze zu verdanken hatte.
»Zwei von uns bleiben daher möglichst nahe an Konsul Kehl
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