Ballsaison: Palinskis siebter Fall
war vor sechs Tagen übers Wochenende nach Split geflogen. Wo er allerdings nie angekommen war. Der Mann galt seither als verschollen, von ihm fehlte jegliche Spur und jedes Lebenszeichen.
Für beide Vorfälle konnte es natürlich völlig logische Erklärungen geben. Allerdings war das schon eine auffallende Anhäufung von Zufällen, sodass Palinski eher dazu neigte, sie als Indizien dafür zu werten, dass etwas Schreckliches bevorstand.
Einerseits fühlte er sich durch seine Rolle in diesem Spiel aufgewertet, auf eine makabre Art wichtig, andererseits aber auch ziemlich hilflos. Denn er hatte keine Ahnung, wie er etwas verhindern sollte, von dem er noch gar nicht wusste, worum es sich dabei eigentlich handelte.
Daher musste er so rasch wie möglich wieder Juri konsultieren, den alten Russen, mit dem er letzte Nacht so reichlich Champagner getrunken hatte. Zu dem früheren Geschäft des ehemaligen KGB-Mannes hatten Intrigen und Verschwörungen gehört wie das Kalbfleisch zum Wiener Schnitzel. Wenn überhaupt jemand etwas aus dem bisschen Kaffeesud, der zur Verfügung stand, herauslesen konnte, dann war es dieser Veteran des Kalten Krieges.
Vor seinem nächsten Termin hatte Palinski noch etwas Zeit. Er nutzte sie, um die Mailbox seines Handys abzuhören und ein, zwei Anrufe zu erledigen.
Da war zunächst einmal Rechtsanwalt Dr. Herburger, der ihn über die Reaktion Hektor Wieners in der Schnitzelaffäre informierte. »Sein Anwalt behauptet, dass alle acht Finalisten des seinerzeitigen Wettbewerbs eine Vereinbarung unterschrieben haben, die dem Unternehmen die Verwendung der Rezepte in der vorliegenden Art und Weise erlauben«, teilte Herburger mit. »Und dass wir uns die einstweilige Verfügung daher wo hinschieben können. Das hat er nicht wortwörtlich gesagt, aber sinngemäß«, schränkte der Anwalt ein.
»Ich kann mich nicht erinnern, etwas Derartiges unterschrieben zu haben«, meinte Palinski, der sich schon wieder über diesen präpotenten Schnitzelbrater aufzuregen begann. Als ob er nicht ohnehin genug um die Ohren gehabt hätte. »Die Gegenseite soll das bis morgen Mittag beweisen. Falls ihr das nicht gelingt, dann kennen wir keine Nachsicht mehr. Dann holen Sie sich sofort die einstweilige Verfügung. Ist das klar ?«
Als Nächstes versuchte Palinski, Anselm Wiegele zu erreichen. Den Freund aus dem fernen Singen hatte er in der Hektik der letzten 18 Stunden ganz vergessen. Er erwischte den stellvertretenden Sicherheitschef des DFB-Teams zusammen mit seiner Freundin und zukünftigen Frau Marianne sowie mit … Wilma Bachler. Seiner Wilma, die er gleich als Nächstes angerufen hätte. Pfff, das war aber irgendwie unangenehm, denn Palinski hatte seiner …, also der Frau, mit der er seit einem Vierteljahrhundert nicht verheiratet war, versprochen, spätestens mittags anzurufen. Und jetzt war es fast schon 19.00 Uhr. Na, vielleicht konnte er sich ja mit einem Funkloch rausreden? Oder ihr Handy war gerade besetzt gewesen?
»So, Wilma möchte dich jetzt auch noch sprechen«, kündigte Anselm an. »Wir sehen einander ja ohnehin in Kürze .«
»Hallo, Mario«, da war sie, die geliebte Stimme. Und sie hatte genau diesen leichten Unterton, den er befürchtet hatte. Der bedeutete eine deutliche Warnung, die allerdings nur für ihn erkennbar war. »Schön, schon von dir zu hören. Ich hoffe, du weißt noch, wer ich bin .«
»Ja, ähh. Also das ist so …«, stotterte der Retter des Abendlandes, aber sie ließ ihn gar nicht erst zur Entfaltung seiner Fantasie kommen.
»Lass nur, mein Lieber, du wirst dir schon eine gute Ausrede einfallen haben lassen«, ätzte sie. »Da bin ich mir ganz sicher .« Wilmas Stimme klang jetzt aber etwas freundlicher, nicht mehr so unmittelbar auf Konfrontation ausgerichtet. »Ich wollte dir nur sagen, dass Helmut und Franca auch zu uns stoßen. Du findest uns dann im ›Chez Alois‹, dem neuen Beisl an der Ecke Schegargasse. Das wollten wir doch schon immer einmal ausprobieren .«
Alles klar, also ›Chez Alois‹. Palinski wäre zwar lieber zu ›Mama Maria‹ gegangen, seinem Lieblingsitaliener. Aber warum nicht auch einmal das neue Beisl an der Ecke testen. Er hatte ohnehin immer schon wissen wollen, ob der Wirt bloß ein überkandidelter Frankophiler war. Oder vielleicht gar der einzige Mensch auf dieser Welt, der mit Nachnamen ›Chez‹ hieß. Ein müdes Lächeln Palinskis begleitete den ebenso müden Gag.
Und dennoch, ›Chez Alois‹? Also Sachen gab’s.
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