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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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    Sabine Pleschkes Geografiekenntnisse waren schlichtweg eine Katastrophe. Also wirklich zum Abwinken. Sie hatte zwar gewusst, dass sie in Hannover umsteigen musste. Aber sie hatte völlig vergessen, wohin sie ihre nächste Etappe bringen sollte. Diesem elementaren Mangel an Orientierungssinn war es zuzuschreiben, dass sie auf einem Rastplatz in der Nähe von Magdeburg gelandet war.
    Der Fahrer des letzten Trucks, der sie mitgenommen hatte, hatte dem Jungen erklärt, dass er auch über Berlin nach Wien kommen könnte. Bloß die Tschechische Republik war noch nicht Schengenland und deshalb nicht so einfach zu durchqueren – ohne Reisepass.
    Daher wollte Sabine zunächst einmal ausschlafen und sich morgen wieder zurück auf die ursprünglich geplante Route Kassel – Würzburg – Nürnberg begeben. Jetzt, da sie unterwegs zu ihrem Papa war, hatte sie es plötzlich gar nicht mehr so eilig. Auf einen Tag mehr oder weniger kam es ihr nicht an.
    Apropos Junge: Sabine war groß gewachsen, schlaksig und noch frei von allen äußerlich erkennbaren Merkmalen ihrer Weiblichkeit. Und sie hatte überlegt, dass es vielleicht besser wäre, etwa als Jan Paluda auf Reisen zu gehen denn als Sabine Pleschke. Noch dazu, wo sie den auf diesen Namen lautenden Schülerausweis eines Freundes bei sich hatte. Jan hatte ihn voriges Jahr bei ihr zu Hause liegen lassen und nie reklamiert.
    Jan beobachtete zwei Frauen, die aus dem Küchenbereich der Raststätte kamen und zu einem Auto gingen. Die beiden arbeiteten vermutlich hier und fuhren nach Dienst-ende in die Stadt, war seine völlig zutreffende Spekulation. Die würden den netten Jungen sicher gerne mitnehmen und bei der Jugendherberge absetzen.
    Dieses Gespräch fand ungefähr zur gleichen Zeit statt, zu der RTL als erster deutschsprachiger Fernsehsender sein gerade begonnenes Abendprogramm mit der Sensationsmeldung Tochter von Torhüterass Tobias Nachen entführt – faire Abwicklung der EURO 08 durch Druck auf Spieler in Gefahr? unterbrach.

     
    * * *
    Langsam verlor Harry die Geduld mit diesem chaotischen Haufen. Alle, die er bisher kennengelernt hatte, waren zugegebenermaßen liebe Menschen. Wirklich ganz nette Leute. Aber so was von naiv und wirklichkeitsfremd, unglaublich. Und dann diese freundliche Penetranz, mit der sie ihn bisher gehindert hatten, wieder zu gehen. Nach seinen bisherigen Erfahrungen musste er ja beinahe fürchten, aus lauter Sympathie und Zuneigung zu Tode geknuddelt zu werden.
    Die Geschichte, die ihm Michael und Doris erzählt hatten, nachdem er von der kleinen Marisa erkannt und von ihren Eltern vor dem Rathaus angesprochen worden war, war ja auch haarsträubend. So unglaublich, dass sie eigentlich stimmen musste. Denn so etwas konnte man nicht erfinden.
    Die Gruppe bestand aus zwölf Psychologiestudenten und -innen der Uni Wien, einem Assistenten, nämlich diesem Michael, und 14 kleinen Kindern zwischen vier und elf Jahren. Die zwar alle mit den Erwachsenen irgendwie verwandt, mit einer einzigen Ausnahme aber nicht ihre leiblichen Kinder waren.
    Jetzt war die ganze Gruppe in einem Kellerlokal in einer Seitengasse der Neulerchenfelder Straße gelandet, in dem einige Mitglieder auch zu wohnen schienen.
    »Wir wollen mit diesem Feldversuch beweisen, dass die Menschen, im Speziellen die Polizei, bei scheinbar immer komplexer werdenden Bedrohungen und entsprechend immer komplexeren Abwehrmaßnahmen durch ganz einfache subversive Maßnahmen auszutricksen sind«, hatte ihm Michael etwas pompös erklärt. »Einfacher ausgedrückt, das tollste technische Kontrollequipment kann logisches Denken nicht ersetzen. Du selbst bist ja der beste Beweis dafür«, hatte der Uni-Assistent anerkennend gemeint.
    »Na ja«, Harry war von dem Lob klarerweise angetan gewesen. »Ich mag halt kleine Kinder gerne und Marisa«, er hatte die Kleine freundlich angelacht und sie zurück, »ist ja eine ganz besonders Liebe .«
    »Ja«, hatte die Kleine dann gemeint, »und du bist ein ganz toller Onkel .«
    »Aber um zum Kern der ganzen Übung zu kommen. Warum habt ihr denn eigentlich von den Kindern Gummistiefel in den Stephansdom und ins Rathaus schmuggeln lassen ?« , wollte Harry jetzt endlich wissen.
    »Das wird dir Dr. Matreier erklären«, versprach Michael. »Er kommt in Kürze und lässt dich bitten, so lange zu warten .«
    »Wer ist dieser Dr. Matreier ?« , der Name sagte Harry nichts. »Ist das euer Professor ?«
    »Nein«, Michael grinste verschämt, »er ist Vertreter des

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