Baltasar Senner 03 - Busspredigt
verdutzten Männer stehen, ging hinein und schloss die Türe hinter sich zu.
»Darf ich Ihnen aus dem Gewand helfen, Exzellenz?«
»Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, Sie sollen die förmliche Anrede lassen, zumindest wenn wir unter uns sind? Und danke, ich komme gut alleine zurecht, so alt bin ich nun auch wieder nicht, dass ich jemanden zum Umziehen brauche. Oder wollen Sie mich bereits in den Ruhestand befördern?«
Baltasar schluckte die Bemerkung hinunter, die ihm auf der Zunge lag.
»Ein schöner Gottesdienst war das«, antwortete er, denn er wollte zum Einstieg in das Gespräch etwas Nettes sagen.
»Wir haben eine Delegation aus dem Vatikan zu Gast, Sie wissen, da muss man etwas Besonderes bieten, die sind verwöhnt durch den Heiligen Vater. Ich wollte ihnen zeigen, dass wir im Bayerischen Wald auch ehrwürdige und glanzvolle Gottesdienste bieten können. Ich muss mit den Herren jetzt noch Gespräche führen, deshalb bin ich unter Zeitdruck.«
»Worüber werden Sie mit ihnen sprechen?«
»Große Politik, Senner, große Politik. Der Heilige Vater persönlich zeigt Interesse an unserer Monstranz. Eine große Ehre! Stellen Sie sich nur all die Kunstschätze im Vatikan vor, und da denkt der Heilige Vater ausgerechnet an uns. Die Sache ist heikel, aber wenn es gut über die Bühne geht, wird es das größte Projekt meiner restlichen Amtszeit. Mein Name wird in den Zimmern des Papstes bekannt werden. Das ist eine Empfehlung für unsere Diözese.« Seine Begeisterung war nicht zu überhören. »Doch nun zu Ihnen, mein lieber Senner, wo drückt denn der Schuh?«
»Angesichts Ihrer großen Aufgaben belästige ich Sie ungern mit meinem bescheidenen Anliegen. Aber mich quält ein Mangel, und ich habe Sorge, meine Gemeinde könnte sich abwenden.«
»Ihre Gemeinde? Ich dachte, die steht treu hinter Ihnen!«
»Aber seitdem die Glocke verstummt ist, Sie wissen schon, der Unfall auf unserem Kirchturm, sind die Gläubigen unruhig, weil sie das Geläut vermissen, eine jahrtausendalte Tradition, oder nicht?«
»Ich dachte, das wäre längst geregelt. Haben Sie die Finanzierung nicht auf die Beine gestellt? Da können doch keine Unsummen erforderlich sein.«
»Mehr jedenfalls, als die Gemeinde jemals aus eigener Kraft aufbringen kann, selbst wenn sie Jahrzehnte dafür sparen würde.«
»Suchen Sie sich Spender und Sponsoren, das machen heutzutage alle.«
»Alles schon probiert, alles ohne Erfolg. Deshalb muss ich die Diözese bitten, sich darum zu kümmern.«
»Was soll ich tun?«
Siebenhaar faltete seine Stola zusammen und verstaute sie in einer Schublade.
»Soll ich Ihnen persönlich bei der Renovierung helfen?«
»Ich hatte eigentlich an die Übernahme der Reparaturkosten gedacht. Denn die Reparaturen sind dringend nötig. Wenn nichts passiert, wird das Gebäude anfangen zu verfallen.«
»Diese Ansprüche! Jesus hat auf dem offenen Feld gepredigt, und seine Zuhörer sind um ihn herumgestanden. Brauchte er dazu eine Kirche? Die Antwort lautet nein. Denken Sie an den heiligen Franziskus, der den umgekehrten Weg ging und all sein Hab und Gut aufgab, um eins mit der Natur zu werden. Wie heißt es doch im Evangelium nach Matthäus, Kapitel 19, Vers 21? ›Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach.‹«
»Ich würde ja gern mein Zelt im Freien aufschlagen und mich als Outdoor-Pfarrer betätigen, aber ich fürchte, meine Gemeinde hätte kein Verständnis für Open-Air-Gottesdienste. Zumal im Winter nicht, denn da wird es bei uns bekanntlich bitterkalt. Aber da Sie Armut ansprechen, warum verkaufen Sie nicht einen Teil des Domschatzes, zum Beispiel die Monstranz. Mit dem Geld können Sie viel Gutes tun, Herr Siebenhaar. Ich denke da an das Gleichnis in demselben Kapitel des Evangeliums nach Matthäus, nur ein wenig später, Vers 24, wo es heißt: ›Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.‹«
Der Bischof seufzte hörbar und nahm sein Pektorale ab.
»Haben Sie nicht die Möglichkeit, Ihre Gemeinde sogar zu erweitern? In Ihrem Ort ist doch ein katholisches Altersheim in Planung. Das ist Ihre Chance, Herr Senner. Ergreifen Sie sie! Reden Sie den Bauherren gut zu, und sie werden für die Unterstützung Ihrer Gemeinde bereit sein. Und möglicherweise beteiligen sie sich sogar an den Wiederaufbaukosten der Kirche, und damit wäre Ihr Problem
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