Baltasar Senner 03 - Busspredigt
unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.«
»Eine schöne Gesangsstimme haben Sie, Sie wären eine Bereicherung für unseren Kirchenchor. Doch muss ich Sie leider enttäuschen, das Lied ist evangelisch.«
»Was soll’s? Hauptsache christlich!«
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D er Aspekt »finanzielle Schwierigkeiten« wollte Baltasar nicht mehr aus dem Kopf gehen. Diesem Aspekt hatte Baltasar bislang keine besondere Bedeutung beigemessen, ebenso wenig wie die Polizei. Auch in den Gesprächen mit den Leuten aus Grafs damaligem Umfeld wurde das Thema bisher nur gestreift. Doch nun fragte Baltasar sich, wie ernst die Finanzprobleme, in die Anton Graf sich und seine Firma verstrickt hatte, tatsächlich waren.
Er beschloss, den Glasbläser Kehrmann noch einmal aufzusuchen, der früher bei Angra gearbeitet hatte.
Doch zunächst wollte er sich ein Mittagessen in der »Einkehr« gönnen, auch in der Hoffnung, die Wirtin diesmal wiederzusehen.
Victoria bediente gerade einen Gast, als sie ihn sah. Sie strich sich eine Locke aus dem Gesicht und lächelte ihn an.
»Grüß Gott, Herr Senner, wie schön, Sie zu sehen. Wo haben Sie denn die ganze Zeit gesteckt?«
Baltasar war überrascht. Hatte sie nach ihm gefragt? Das wäre ein positives Zeichen, und sein Herzschlag beschleunigte sich.
»Grüß Gott, Frau Stowasser, ich freue mich auch, wieder hier zu sein. Was gibt’s heute Gutes zu essen?«
Sie empfahl ihm das Tagesgericht, ein indonesisch-bayrisches Fleischpflanzerl mit Shrimps und Löwenzahnsalat. Als Baltasar skeptisch dreinschaute, meinte sie nur: »Vertrauen Sie mir«, und er bestellte das Essen.
Wie sich herausstellte, schmeckte es zwar ungewohnt, aber wunderbar würzig, die Mischung war perfekt abgestimmt, auch der Salat war hervorragend. Schmunzelnd dachte er, dass jeder echte Niederbayer wohl eher seine Großmutter verleugnen würde, bevor er diese fremde Komposition äße.
»Was macht die Renovierung?«, fragte er Victoria, als sie kam, um abzuräumen.
Ihre Miene verdüsterte sich. »Erinnern Sie mich bloß nicht daran. Es ist das reinste Chaos.«
»Was ist denn passiert?«
»Wenn Sie wollen, zeige ich es Ihnen.«
Baltasar folgte Victoria in den ersten Stock. Quer im Gang lag eine Leiter, mit Farbe bespritzte Plastikfolien türmten sich zu einem Haufen, mehrere eingetrocknete Pinsel standen in einem Eimer. In zwei Zimmern hingen halb abgerissene Tapeten von den Wänden, die Decken waren vollkommen ungleichmäßig geweißt worden.
»Nun, das kann man wohl nicht als gelungen bezeichnen«, sagte Baltasar.
»Es ist zum Heulen. Am liebsten würde ich alles in die Luft jagen.« Das klang nach einer Kapitulationserklärung. »Ich werde den Plan Renovierung und Zimmervermietung verwerfen.«
»Verlieren Sie nicht den Mut«, sagte Baltasar, obwohl er merkte, dass er nicht sehr überzeugend klang. »Mir wird schon was einfallen.«
»Das hilft nichts, ich habe keine Nerven mehr weiterzumachen. Und das Geld für die Handwerker habe ich erst recht nicht.«
»Nur Geduld, das kriegen wir schon hin.«
*
Während der Fahrt zu Franz Kehrmann dachte Baltasar über eine Lösung für Victorias Schwierigkeiten nach. Wie gern würde er ihr helfen! Da er aber zur Zeit selber ein Renovierungsproblem und auch kein Geld hatte, wollte ihm nichts Vernünftiges einfallen.
Der Glasbläser hatte sich nach Baltasars Anruf bereit erklärt, ihn noch mal zu treffen. Sie hatten sich direkt in der Glasfachschule verabredet.
Da er noch Zeit bis zu dem Termin hatte, spazierte Baltasar in den Stadtpark zum Hirtenbrunnen. Könnte dieser Hirte aus Bronze reden, dachte Baltasar, so wäre die Tat schon aufgeklärt worden.
Irgendetwas in dem Puzzle fehlte, ein Indiz, ein Hinweis. Was hatten die Kriminalbeamten und er selber möglicherweise übersehen? Suchten sie an den ganz falschen Stellen? Was war das Motiv für den Mord an Anton?
In der Schule ging Baltasar direkt auf Manrique und Feuerlein zu, die gerade den Gang entlangkamen. Sie waren in ein Gespräch vertieft und bemerkten ihn erst, als er direkt vor ihnen stand.
»Du lieber Himmel, Hochwürden, Sie wollen uns bekehren«, begrüßte ihn der Künstler, »so oft, wie Sie in der Schule auftauchen!«
»Ich bin mit Franz Kehrmann verabredet.«
»Mit dem Franz, so, so. Was wollen Sie denn von ihm?«
Feuerleins Frage hatte etwas Lauerndes.
»Was ich vorher wollte und noch immer will: meinen Freund Anton Graf besser verstehen. Herausbekommen, was er getan hat und warum er umgebracht wurde.«
»Fragen Sie
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