Baltasar Senner 03 - Busspredigt
Hitchcocks ›Psycho‹ im Kopf, guter Film übrigens, aber glaub mir, wir werden keine mumifizierte Mutter finden, und hinter dem Duschvorhang lauert niemand mit einem Messer.«
»Ich mein ja nur … Also, wo fangen wir an?«
Sie inspizierten das Bad und die Küche. Das Geschirr stand noch immer da, wo Baltasar und Antons Sohn Quirin es gelassen hatten. In den Schränken und Schubläden fand sich nichts Ungewöhnliches.
Philipp deutete auf die eingeschlagene Fensterscheibe und die Glassplitter. »Das war ein richtiger Einbruch.«
Der letzte Raum im Erdgeschoss war als Arbeitszimmer eingerichtet. Ein Schreibsekretär im Biedermeierstil, ein passender Stuhl und ein Schrank aus Birnenholz mit Einlegearbeiten. An der Wand zwei Fotografien, eine zeigte Grafs Eltern bei deren Hochzeit, die andere ein Fabrikgebäude. Daneben ein Ölgemälde in der Größe eines Buches, eine Landschaft mit Burgruine. Philipp schaltete seinen Apparat ein und fing an zu fotografieren. »Für alle Fälle«, sagte er.
Baltasar klappte die Tür des Sekretärs nach unten. Eine Gartenzeitschrift lag darin, Anton hatte Passagen eines Artikels über Rosenzucht mit Textmarker hervorgehoben. Daneben zwei Bücher über Gemüse und deren Pflege. In den Schubladen lagen Bleistifte, Gummiringe, Notizzettel, ein Zeitungsausschnitt zum Thema Schnitt von Obstgehölzen.
»Seltsam, kein Computer hier.«
Philipp hatte den Schrank geöffnet.
»Ist in den oberen Zimmern ein Gerät?«
»Anton benutzte keine Computer. Ein Handy war für ihn der Höhepunkt der Technik.«
»Wie alt war dein Nachbar?«
»Letztes Frühjahr feierte er seinen 64. Geburtstag.«
»Also nicht zu alt für so was.«
»Ich glaube, es war bei ihm mehr eine prinzipielle Sache.«
Der Schrank enthielt weitere Bücher, Bildbände über den Bayerischen Wald, Wanderkarten, alte Auktionskataloge und Fachliteratur über Glasbläserei. In mehreren Ordnern hatte Graf Handwerkerrechnungen aufbewahrt sowie Reiseprospekte über Österreich und Tschechien.
»Ein bisschen wenig. Wo bleiben die persönlichen Unterlagen, Versicherungsscheine, Testament, Kontoauszüge?« Philipp stellte die Ordner zurück. Er strich über das Furnier des Sekretärs. »Schönes Stück.«
»Du meinst, das ist echt?« Baltasar hatte es für eine moderne Imitation gehalten, wie sie heutzutage gerne von Nostalgikern gekauft wurde, die die gute alte Zeit in ihr Heim zurückholen wollten.
»In diesem Zimmer ist alles echt, die Möbel sind Antiquitäten, selbst das Gemälde scheint aus dem 19. Jahrhundert zu stammen.« Philipp befühlte die Schubladen. »Ob dieser Sekretär ein Geheimfach hat? Das wurde in solche Stücke oft eingebaut.«
Baltasar tastete die Innenseiten ab und sah unter der Schreibplatte nach. »Kein Geheimfach. Ich glaube, du siehst zu viele Kinderfilme, Philipp. Da kommen Schatztruhen und Zauberer und Verstecke vor.«
Sein Freund ließ sich davon nicht beirren und untersuchte das Möbel. Er drückte an verschiedenen Stellen, rieb über das Holz. »Siehst du, hier sieht es aus, als ob jemand ständig mit der Hand darübergefahren wäre. Auf der anderen Seite finde ich keine Abnutzung.« Er konzentrierte sich auf den Bereich. »Ha!«, rief er. Gleich danach gab es ein Geräusch, ein dumpfes Klicken. Ein schmales Fach hatte sich geöffnet. Philipp grinste. »Da siehst du, warum es etwas bringt, sich Kinderfilme anzugucken. Das ist meine Magie.«
»Glücksfall«, brummte Baltasar. Er war wieder einmal beeindruckt von den Fähigkeiten seines Freundes, für verzwickte Probleme eine Lösung zu finden. »Du machst jedem Einbrecher Ehre.«
Der Inhalt des Faches war enttäuschend: lediglich ein Scheckbuch, die Kontokarte einer Regensburger Bank und das Farbfoto einer Frau um die 30, schlank, mit halblangen blonden Haaren – und splitternackt.
»Oho, sieh an, dein Anton und sein erotisches Kabinett!« Philipp besah sich die Aufnahme. »Geschmack hatte er offensichtlich. Aber warum versteckt jemand eine Nacktaufnahme? Heutzutage kann man jede Menge anzüglichere Sachen in Zeitschriften oder im Internet finden, da braucht man sich nicht zu schämen – und obendrein interessiert’s niemanden.« Er fotografierte die Aufnahme ab.
»Vielleicht hatte er eine besondere Beziehung zu der Frau. Dem Haarschnitt nach scheint das Bild älter zu sein, aber ich bin darin kein Experte.«
»Du kannst doch deine Victoria fragen, die hat sicher Erfahrung mit so etwas. Und wenn du schon bei ihr bist …«
»Spar dir deine
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