Baltasar Senner 03 - Busspredigt
klatschten Beifall.
»Und wo genau ist jetzt dein Problem?« Baltasar sprach die Frage in einem beruhigenden Tonfall aus.
»Hör mal, Alter, komm mir jetzt bloß nicht blöd.« Der Jugendliche stupste ihn an. »Wenn du weiter so dein Maul aufreißt, bekommst du gleich was drauf, kapiert?«
Baltasar spürte seine unverhohlene Aggression. Er sah seinem Gegenüber direkt in die Augen. »Schon gut, schon gut. Ich will keinen Streit.«
»Was du willst, ist mir scheißegal, hörst du? Scheißegal ist mir das!« Er schrie die Worte heraus. »Mach mich bloß nicht an, Alter. Mir ist gleich, ob du Pfaffe bist oder nicht!«
»Keine Sorge, junger Mann, ich will dich nicht bekehren. Obwohl es nicht schlecht wäre, wenn du die Zehn Gebote noch mal nachliest. Da findest du einige gute Anregungen für richtiges Verhalten.«
Kaum hatte er es ausgesprochen, war ihm klar, dass er zu weit gegangen war. Aber er wollte auf die Provokationen reagieren und nicht nur alles wie ein Schaf hinnehmen.
Der Jugendliche packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich her. »Alter, bist du lebensmüde? Beleidigst mich vor meinen Freunden. Glaubst du, ich lass das mit mir machen?«
»Lass mich los, bitte.«
Das Gesicht des anderen war nur Zentimeter von seinem entfernt.
»Du machst mir keine Vorschriften, Alter. Kommt her und spielt sich auf, der Mann.«
»Ich sage, was ich für richtig halte. Und wenn du mich endlich loslässt …«
»Du legst es darauf an, was? Solche Wichser wie dich stampf ich einfach in den Boden, genau, das tu ich.«
»Das glaube ich dir gerne. Aber lass mich jetzt los.« Baltasar ergriff die Handgelenke des Jugendlichen und schob sie weg.
Als Reaktion darauf ließ der Tätowierte los und machte einen Schritt zurück. Baltasar wollte weggehen, als er in der Hand des Jugendlichen einen Schlagring aufblitzen sah, eines dieser Modelle, deren Außenseite mit Dornen gespickt war. Der Jugendliche fuhr mit dem Metall über Baltasars Wange, als wollte er Abdrücke in der Haut hinterlassen.
»Na, gleich machst du dir in die Hose, Alter, was? Wo sind nun deine klugen Sprüche, Pfaffe? Hilft dir der liebe Gott jetzt?«
Baltasar wusste, dass Gefahr drohte, sein Gegner war betrunken und unberechenbar. »Nicht sehr mutig, Unbewaffnete mit einem Schlagring zu bedrohen. Wenige Meter von hier wurde erst vor Kurzem ein Mensch umgebracht, ein Mann, der ebenfalls unbewaffnet und friedliebend war.«
Der Jugendliche zeigte keine Reaktion.
Baltasar entschied, einen Versuch zu wagen, um ihn zu verunsichern. »Anscheinend bist du schnell mit einer Waffe zur Hand. Hast du diesen Mann etwa auch angemacht? Weiß die Mordkommission schon davon?«
Der Jugendliche zuckte zurück und ließ die Hand sinken. »Was … was fällt dir ein, Alter? Spinnst … spinnst du jetzt?«
Seine Stimme stockte. Er war offenbar unschlüssig, wie er sich nun weiter verhalten sollte.
»Lass gut sein.«
Ein Mädchen war aufgestanden und zog ihn weg.
»Lass dich doch von so einem Typen nicht provozieren.«
Sie trug kurz geschnittene, schwarze Haare, schwarzen Lidschatten und eine schwarze Jacke. In ihrer Nase und ihrer Lippe steckten Kugeln, die von der Ferne aussahen wie Pickel, in Wirklichkeit aber Piercings waren.
»Komm, wir suchen uns einen anderen Platz, der weniger von solchen Spießern verseucht ist.«
Der Jugendliche war unschlüssig. Aber seine Freunde waren bereits aufgestanden und trollten sich Richtung Stadtplatz.
»Lass doch den alten Sack«, riefen einige und machten dabei obszöne Gesten in Richtung Baltasar. Ein anderer Junge mit kurzrasiertem Haar und Ohrsteckern, schmächtig wirkend, stand auf und wankte auf sie zu. »Lass den Typen, diese Kerle sind doch alle gleich.« Er wandte sich an Baltasar. »Warum müsst ihr Typen euch immer so wichtig machen? Ihr habt hier nichts verloren. Das ist unser Revier. Hier riecht’s nach Spießer. Hauen Sie ab, sonst setzt’s was!« Zu seinem Freund sagte er: »Der hat die Hosen voll, lass uns die Location wechseln.«
Der Jugendliche steckte seinen Schlagring ein und schloss sich den anderen an. »Arschloch«, zischte er zum Abschied.
»Du mich auch.« Baltasar machte, dass er wegkam. Er war überrascht, wie wirkungsvoll seine Sätze gewesen waren, als ob plötzlich der Heilige Geist in die jungen Leute gefahren wäre.
An den Spielplatz grenzte ein Teich, dessen auffälligstes Merkmal ein Drache auf dem Wasser war, eine Skulptur aus Edelstahlelementen. Am Ufer waren Tafeln aufgestellt, die über
Weitere Kostenlose Bücher