Baltasar Senner 03 - Busspredigt
tiefer in die Tasche zu greifen. Abgesehen davon war ich wirklich eine Zeitlang in Paris. Es reicht heute nicht mehr, nur durch Qualität zu glänzen. Man muss sich selbst vermarkten, für sich werben. Das ist leider so.«
»Aber Sie haben doch auch ein Einkommen durch Ihre Lehrtätigkeit an der Glasfachschule.«
»Ich arbeite dort auf Honorarbasis, also nach Stunden. Das Geld ist nicht der Rede wert. Es ist eine Mission, den jungen Menschen etwas beizubringen, sie mit den Möglichkeiten des Werkstoffes Glas vertraut zu machen, sie die Glaskunst zu lehren.« Manrique sah wieder auf den Thermometer. »Jetzt ist es so weit. Wenn Sie wollen, können Sie sich nützlich machen, Herr Pfarrer.«
Er zog das Blasrohr aus dem Ofen. An dem Ende klebte etwas, das aussah wie ein glühender Ball. Manrique deutete auf einen Holzklotz, der innen zu einer Halbkugel ausgehöhlt war. »Bitte nochmals befeuchten und dann festhalten. Aber Vorsicht, kommen Sie dem Werkstück nicht zu nah, sonst verbrennen Sie sich.«
»Wie heiß wird denn die Masse?« Baltasar rückte den Block zurecht.
»Kommt drauf an, 2000 Grad und mehr. Jedenfalls reicht eine minimale Berührung mit der Haut, und es versengt Sie.«
Der Künstler legte die Glutkugel in die Holzform, versetzte das Rohr in eine gleichmäßige Drehung und blies hinein. Langsam wuchs der Umfang. Er hob die Kugel in die Luft.
»Jetzt nehmen Sie das Holzwerkzeug da, die Spachtel«, sagte Manrique, »und drücken Sie sie leicht gegen den Boden.«
Baltasar hielt das nasse Holz gegen die glühende Masse, während Manrique das Blasrohr weiterdrehte. Die Kugelform flachte sich ab.
»Das reicht. Jetzt geht’s wieder zurück ins Warme.« Er tauchte das Objekt in den Schmelzofen.
»Kamen Sie durch die Glasfabrik mit Anton in Kontakt?«, fragte Baltasar.
»Die ersten Aufträge hat mir der Geschäftsführer Rufus Feuerlein, den Sie ja schon kennen, vermittelt. Ich war damals unbekannt, ein Anfänger. Aber meine Vorschläge gefielen ihm, und so durfte ich mehr Entwürfe einreichen. Später wollte Anton Graf mich dann persönlich kennenlernen.«
»Sie haben ab dann regelmäßig für die Angra gearbeitet?«
»Ich habe ganze Kollektionen für die Firma entwickelt, damit haben die Millionenumsätze gemacht. Bedauerlicherweise war ich an dem finanziellen Erfolg nicht beteiligt, sondern bekam ein fixes Honorar.«
»Hat Anton das so festgelegt?«
»Er hat behauptet, das sei branchenüblich, schließlich müsse das Unternehmen die Produktion finanzieren und trage das Risiko. In Wirklichkeit war es vor allem meine kreative Leistung, die die Angra nach vorne gebracht hat. Ich bin in den Verkaufsprospekten nicht mal als Urheber der Entwürfe genannt worden, Graf wollte das nicht. Das war kleinkariert und äußerst schäbig!«
»Aber später war die Angra wirtschaftlich nicht mehr erfolgreich. Wie hätten da üppige Zahlungen möglich sein sollen?«
»Das waren Managementfehler. Anton Graf hat sich überall eingemischt. Als Mehrheitseigentümer nahm er sich jedes Recht heraus. Rufus hat viel mitmachen müssen, es gab ständig Streit, ich bekam das oft mit. Ich schlug damals vor, auf höherwertige Ware umzusteigen, auf künstlerische Objekte, Ansätze von Studioglas. Ich hatte eine wunderbare komplette Kollektion entworfen, doch Anton wollte sie nicht. Angra sei ein Massenhersteller und müsse deshalb den Massengeschmack bedienen. Meine Ideen und Entwürfe hielt er für zu abgehoben.« Manrique spuckte auf den Boden und ging zum Schmelzofen. »Es ist so weit, die nächste Runde! Hochwürden, ich brauche die Kiste mit Sand dort unterm Tisch.«
Baltasar zog die Kiste hervor. Manrique holte das Werkstück aus dem Feuer und platzierte es auf einer Halterung. Er drehte gleichzeitig das Blasrohr und drückte mit einem Werkzeug gegen den Boden, der sich dadurch nach innen wölbte. »Jetzt das überschüssige Material wegschneiden.« Er drückte ihm eine schwere Eisenschere in die Hand. »Keine Angst, solange Sie nichts berühren, passiert nichts.«
Baltasar schnitt in das heiße Glas, es gab nach wie Knetgummi. Die Reste fielen in die Sandkiste.
»Das war’s, ab in den Kühlschrank damit.« Manrique hob das Objekt mit einer Art Mistgabel an und schob es in die Apparatur. »Das ruht nun über Nacht in dem Ofen, zuerst bei etwa 500 Grad, danach wird das Gut langsam abgekühlt, was die Spannung in dem Glas vermindert.«
Die hohe Temperatur im Raum trieb Baltasar den Schweiß auf die Stirn.
»Die Hitze
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