Baltasar Senner 03 - Busspredigt
wäre auf Dauer nichts für mich.«
»Kommen Sie mit nach draußen, ich rauche eine Zigarette«, sagte Manrique.
Baltasar genoss die frische Luft und holte tief Luft.
»Herr Manrique, oder Herr Helfer, wie immer ich Sie nennen soll, ich …«
»Bleiben Sie bitte bei Manrique.«
»Nun, ich habe Sie zusammen mit den Herren Kehrmann und Feuerlein auf der Beerdigung meines Nachbarn gesehen. Warum sind Sie dorthin gefahren?«
»Wir fanden, dass es eine gute Idee wäre nach allem, was vorgefallen war … Es liegt zwar alles Jahre zurück. Aber für mich war es wie der finale Akt im Theater, bevor der Vorhang endgültig fällt. Das hat etwas Dramatisches, da wollte ich dabei sein.«
»Ich fand Ihr Verhalten am Grab allerdings ausgesprochen despektierlich.«
»So, fanden Sie? Nun, ich habe die Glassplitter in die Erde gestreut als Andenken an all meine Entwürfe, die Anton abgelehnt hat. Sie sollen ihn für immer an mich erinnern. Das hat doch eine gewisse Symbolik, oder nicht?«
»Wann haben Sie Ihren früheren Chef zum letzten Mal gesehen?«
»Graf war nicht mein Chef, weil ich nie bei ihm angestellt war. Auf meine Selbstständigkeit habe ich immer Wert gelegt. Um Ihre Frage zu beantworten: Anton hat früher gelegentlich bei meinen Galerieausstellungen vorbeigeschaut, in den letzten Jahren aber nicht mehr.« Manrique rauchte und blies Kringel in die Luft. »Seltsam war nur, dass er mich kurz vor seinem Tod anrief. Er wolle etwas Geschäftliches mit mir besprechen, für mich würde dabei was herausspringen, wir sollten uns treffen.«
»Hat er nicht gesagt, worum es ging?«
»Ich habe das alles nicht ernst genommen. Nach all der Zeit hatte ich nicht mehr das geringste Interesse an irgendwelchen Geschäften mit Anton Graf. Ich sagte ihm, ich müsste es mir überlegen und er sollte sich wieder melden. Doch dazu ist es nie gekommen. Den Grund dafür kennen Sie.«
35
D as Büro war ein Geschäftslokal in einer Seitenstraße im Stadtzentrum von Regen, im Schaufenster hingen zwei Plakate mit strahlenden Menschen, die laut Werbespruch glücklich waren, ihre Familie sowie ihr Hab und Gut gut geschützt zu wissen. Ein Schild wies darauf hin, dass hier eine Versicherungsagentur ihren Sitz hatte.
Philipp Vallerot beobachtete von seinem Auto aus den Eingang.
Seit einer halben Stunde hatte die Agentur geöffnet, doch bisher war noch keine Kundschaft gekommen. Philipp überlegte, wie er vorgehen sollte. Er hatte sich von Baltasar überreden lassen, diesen Auftrag zu übernehmen, weil sein Freund in der Sache nicht persönlich auftreten wollte. Laut Adresse war dies die Versicherung, für die Quirin Eder angeblich arbeitete.
Philipp stieg aus und näherte sich dem Laden unauffällig. Durchs Schaufenster sah er einen jungen Mann am Schreibtisch sitzen und Zeitung lesen. Auf ins Gefecht, dachte Philipp und betrat die Agentur.
Der Mann, ein Mittdreißiger, blickte von seiner Zeitung auf. Offenbar hatte er in dem Besucher einen potenziellen Kunden identifiziert, denn sofort räumte er den Schreibtisch frei und setzte sein Umsatzlächeln auf.
»Nehmen Sie doch Platz, Herr …«
»Meier, Philipp Meier. Ich komme aus Frauenau.«
»Nicht gerade in der Nähe. Was führt Sie denn zu uns? Wer hat uns empfohlen?«
»Ein Bekannter. Ich bräuchte eine Beratung.«
»Aber gern. Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Meier?«
»Ich brauche eine Zusatzversicherung, denn ich möchte abgesichert sein, falls ich berufsunfähig werden sollte.«
»Da haben Sie vollkommen recht.« Die Aufregung in der Stimme des Versicherungsberaters war unüberhörbar, vermutlich wässerte ihm bereits der Mund bei dem Ausblick auf das fette Geschäft. »Sie glauben gar nicht, wie schnell man heute seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, Herr Meier. Was tun Sie beruflich?«
»Angestellter. Im Büro, Großhandel.«
»Gerade als Angestellter ist man vielen Gefahren ausgesetzt, die Statistiken sind eindeutig. Millionen von Menschen sind tendenziell von Armut bedroht, weil sie nicht vorgesorgt haben. Erst letztens hat sich ein Freund von mir, Sportlehrer von Beruf, beim Skifahren verletzt. Wer rechnet schon mit so etwas? Mehrere komplizierte Brüche, mehrere Monate Reha, bis er überhaupt wieder gehen konnte. Seinen Beruf musste er an den Nagel hängen, stellen Sie sich das vor, Herr Meier. Und jetzt? Das Geld ist knapp, kaum Rente, es reicht vorne und hinten nicht. Hätte er jedoch eine Versicherung gehabt …«
»Solche Unfälle sind schrecklich, Sie sagen es.
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