Baltrumer Bitter (German Edition)
selten. So konnte sie
unbeschwert ihr Frühstück genießen. Sie würde gleich danach Sonja davon
erzählen.
Ihre Freundin hatte sie erst
auf den Bio-Trip gebracht. Früher war es Klara völlig egal gewesen, was sie in
sich hineingeschaufelt hatte. Jetzt achteten beide sehr darauf, sich ausgewogen
und gesund zu ernähren. Seitdem fühlte Klara sich viel fitter als vorher. Der
kleine Bioladen in der Nähe ihrer Wohnung war ihnen ein beliebtes Anlaufziel
geworden. Dort wurde man persönlich bedient, mit Namen angesprochen. Zu den
Produkten gab es oft hilfreiche Erklärungen über die Anbaugebiete der
verschiedenen Obst- und Gemüsesorten und Rezepte für leckere vegetarische
Gerichte. Auch an der Fleischtheke hatte sie stets das Gefühl, dass die Mitarbeiterinnen
mit besonderer Ehrfurcht vor den Lebensmitteln ihre Ware anpriesen.
»Um diesen Bio-Kram wird viel zu viel Heckmeck gemacht«, hörte
sie Franks Stimme leise an ihrem Ohr, als sie sich gerade eine Scheibe Kochschinken
neben ihr Rührei legte.
»Ich finde es wunderbar und genieße es einfach«, erwiderte sie.
»Glaube mir: Früher oder später kommt jeder darauf.«
»Klar, du musst es nur bezahlen können. Bioprodukte sind doch
immer so verdammt teuer.«
Klara schaute Frank prüfend an. »Du mit deinem Gehalt bei
Wybrands wirst dir das gerade noch erlauben können, oder?«
»Womit wir wieder bei unserem Hauptthema wären. Herr Wybrands
und sein Projekt. Werde mich gleich mal ein wenig mit der Chefin hier unterhalten«,
flüsterte er ihr zu. Dann setzte er seinen Teller, übervoll mit allem, was das
Buffet zu bieten hatte, vor sich auf den Frühstückstisch.
Klara schauderte. Hatte der noch nie gehört, dass man ein
zweites Mal gehen konnte? Unglaublich! Aber vielleicht war das nur der Anfang
und er würde tatsächlich noch weitere Male das Buffet abräumen. Sie schaute auf
die Uhr. Zwei Stunden Zeit bis zum Termin beim Bürgermeister. Das konnte sich
hinziehen.
Inzwischen hatte Frau Steenken alle Hände voll zu tun. Kevin,
Mark und ihre Eltern hatten das Frühstück inzwischen weitgehend beendet, doch
neue Gäste hatten an den anderen Tischen Platz genommen. So blieb es erst
einmal bei dem Wunsch, Frau Steenken in ein Gespräch zu verwickeln.
Klara konnte es kaum ertragen zu sehen, wie Frank sich über das
Essen hermachte. Rührei, Marmeladenbrötchen, dann eine Lage Lachs. Noch ein
Körnerbrötchen, bevor er sich ein Spiegelei bestellte. Dazu hatte er sich
bereits die fünfte Tasse Kaffee eingegossen. Seine Laune, die gestern nach der
Abfuhr von ihr nicht die beste gewesen war, hob sich mit jedem Bissen.
Wenigstens das. Wie leicht Männer doch zufriedenzustellen sind, dachte sie
säuerlich.
Dann hielt Klara es nicht mehr aus. »Ich gehe schon mal und
mache mich startklar«, sagte sie und schob energisch ihren Stuhl zur Seite.
Frank schaute sie erstaunt an. »Was soll das denn jetzt? Wir
wollten doch …«
»Das erledigst du, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich mache
mich schick für den Bürgermeister.« Fast fluchtartig verließ sie den
Frühstücksraum, der von den Stimmen der Gäste und von der wieder
hereinströmenden feuchten Wärme nur so brodelte.
*
Nachdem Frank Visser sein ausgedehntes Frühstück beendet
hatte, blieb er noch sitzen. Er hoffte, dass Frau Steenken wieder auftauchte.
Sie hatte sich schon ein paar Minuten nicht blicken lassen.
Er nahm sich den Ostfriesischen
Kurier , den die Vermieterin neben das Buffet gelegt hatte, und blätterte
ihn durch. Sein Blick blieb auf einer Schlagzeile hängen: Bauunternehmer
wegen dubioser Geschäfte demnächst vor Gericht. Ein Bauunternehmer aus Aurich
wird beschuldigt, staatliche Gelder für Sanierungen denkmalgeschützter Häuser
kassiert zu haben, die gar nicht unter …
Sein Interesse ließ nach. Die Firma seines Vaters hatte zwar
ihren Sitz in Aurich, aber sein Vater sanierte nicht, er riss ab und baute neu.
Meistens jedenfalls. Trotzdem, das war ein Ding! Er würde seinen Vater
demnächst fragen, um welchen Mitbewerber es sich dabei handelte.
Langsam wurde Frank Visser unruhig. Er faltete die Zeitung
zusammen und überlegte, wo Frau Steenken stecken konnte. In der Küche wahrscheinlich.
Er hatte zwar keine Ahnung, wo in diesem Haus die Küche war, und was er seiner
Vermieterin als Grund für sein Auftauchen verkaufen sollte, aber er musste sich
etwas einfallen lassen. Der Plan sah vor, dass sie erst mit der Frau und dann
mit dem Bürgermeister sprachen. Und dass der Plan eingehalten
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