Baltrumer Bitter (German Edition)
hören Sie mich
an«, sagte Wybrands mit belegter Stimme. »Ich bin fix und fertig. Erst mein
Sohn und dann auch noch Lohmann. Das kann doch alles nicht wahr sein.«
»Leider ist es wahr, Herr Wybrands. Bitte setzen Sie sich. Aber
bevor wir reden, rufe ich meine Kollegen an und bestelle bei meiner Frau eine
Tasse Kaffee. Möchten Sie auch eine?«
Wybrands nickte. »Gerne. Aber ich muss das jetzt loswerden. Ich
habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, was mit Lohmann passiert ist. Das war
so … ich kann es kaum beschreiben … so unwirklich. Ein Albtraum. Und dann kamen
Sie mir an der Buhne entgegen. Ich dachte, Sie würden mich sofort festnehmen …«
»Nun mal langsam, Herr Wybrands. Eins nach dem anderen. Ich
telefoniere und Sie versuchen, sich zu beruhigen. Okay?« Schon nach ein paar Sekunden
hatte Röder Arndt Kleemann am Apparat. Der versprach, so schnell wie möglich zu
kommen. Auch Berend Luiken war bereits wach.
»So, jetzt noch der Kaffee, dann kann es gleich losgehen.«
Röder öffnete die Tür zum Flur, der in seine Wohnung führte, und stellte fest,
dass das Glück mit ihm war. Kräftiger Kaffeeduft zog zu ihm herüber. Sein Magen
rumorte. Wie gerne hätte er jetzt mit Sandra zusammen gefrühstückt. Stattdessen
rief er so laut, dass seine Frau es bestimmt mitbekommen musste: »Sandra, bist
du so lieb und versorgst uns mit ganz viel Kaffee und ein paar belegten
Brötchen?«
»Wird gemacht. Ich bringe gleich was rüber.«
Es dauerte nur einen Moment, bis Berend Luiken erschien, und
kurz darauf trafen Arndt Kleemann und Klaus Kockwitz ein.
»Gleich geht es los, Herr Wybrands«, versuchte Röder den Mann
zu beruhigen, der offensichtlich immer nervöser darauf wartete, seine
Geschichte loszuwerden.
Er wartete, bis Sandra das große Tablett voll Kaffee und
Brötchen abgestellt hatte.
»So, mit etwas im Magen redet es sich leichter. Bitte bedienen
Sie sich«, forderte Arndt Kleemann den Mann auf, der ungeduldig mit den Verschlüssen
seiner Aktentasche spielte.
Wybrands nahm einen Schluck Kaffee. »Also, wie ich schon
erzählt habe …«
»Ich möchte Sie ungern schon unterbrechen, aber ich möchte
jetzt die Wahrheit hören. Das würde uns am meisten helfen.«
Wybrands nickte und erzählte den Ermittlern in allen
Einzelheiten, warum er die beiden jungen Leute auf die Insel geschickt hatte.
Wie das Projekt, als es zu scheitern drohte, in seinem Kopf ein Eigenleben
entwickelt hatte. Dass er auf die Insel gekommen sei, um zu retten, was zu retten
war. Wie es ihn gewundert hatte, als zunächst Klara und Frank nicht beim Schiff
aufgetaucht waren. Dass er sie aufgefordert hatte, die Polizei einzuschalten,
als Klara allein erschienen war. Auch seine Verbindung zu Georg Hanefeld
erwähnte er kurz und sein Unverständnis darüber, was in dem Mann bei seinem
Besuch vorgegangen sei. Er beschrieb, wie Bürgermeister Lohmann ihn angegiftet
hatte und wie wütend er darüber gewesen war.
»Unsere Zusammenarbeit war bisher immer von Erfolg gekrönt.«
Wybrands lächelte leicht. »Wenn auch so manches Mal haarscharf an gewissen
Grenzen vorbei. Doch plötzlich wollte er nichts mehr von unserer Geschäftsbeziehung
wissen.«
»Und das haben Sie auf der Buhne versucht, ihm auszutreiben?«,
unterbrach Kockwitz den Mann.
»Klaus! Bitte!« Arndt Kleemann hatte sich zu seinem Kollegen
umgedreht und schaute ihn durchdringend an. Der erwiderte ungerührt seinen
Blick.
»Nein, das habe ich nicht. Es
war ganz anders. Glauben Sie mir. Ich war auf der Suche nach Lohmann. Wollte
ihn zusammenscheißen. So was macht man nämlich nicht mit mir. Als ich über die
Strandmauer ging, sah ich ihn auf der Buhne sitzen. Ich bin dann zu ihm runter.
Am Fuß der Mauer sah ich eine zerbrochene Angel liegen. Da habe ich mich schon
gewundert. Aber was meinen Sie, wie ich mich erst gewundert habe, als ich den
Mann gesehen habe. Überall blaue Flecken. Der konnte sich kaum auf seinem
Angelstuhl halten, wollte aber unbedingt dort bleiben. Auf meine Frage, wer für
seinen Zustand verantwortlich sei, erwiderte er, dass sein Mitarbeiter, dieser
Arnold Steenken, ihn angegriffen, geschlagen und getreten hätte. Auch für die
zerbrochene Angel sei der Mann verantwortlich. Ich habe ihn darauf gefragt, was
Steenken für einen Grund für seine Attacke genannt hätte. Aber Lohmann hat nur
gesagt, der sei wohl besoffen gewesen. Auf meinen Einwurf, warum er nicht die
Polizei gerufen hätte, hat Lohmann nur gesagt: ›Ich werde es dem Würmchen
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