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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Freund.
    In dieser Zeit muss sich eine Begebenheit abgespielt haben, die Hans Kromm Jahrzehnte später der Studentin Julia Mai bei ihrem Gespräch im Gefängnis schilderte.
    SKIZZE 2 VON JULIA MAI NACH DEM BERICHT VON HANS KROMM
    Die Zigarettenkippe war längst erloschen, doch Hans presste sie immer tiefer in den feuchten Boden. Er starrte auf seine sich windende Schuhspitze, doch er hätte genauso gut durch das Fenster in den hellen Saal schauen können, denn das Bild brannte in seinen Augen: Franz, der mit Sonja über die Tanzfläche wirbelte. Franz war ein guter Tänzer, begabt wie für so vieles, er war immer der Beste im Sport, ein leidenschaftlicher Jäger, der beim Schießen alle Pokale gewann und keinerlei Probleme mit Frauen hatte. Er sah sie an mit seinem selbstbewusst-fröhlichen Lachen, machte ein paar witzige Bemerkungen, und schon hatte er sie in der Tasche. Wenn Hans das versuchte, klang sein Lachen albern, und die Mädchen lächelten bestenfalls mitleidig. Sie schienen nie zu bemerken, dass für Franz immer nur er selbst im Mittelpunkt stand, und – das war vielleicht das Geheimnis seines Erfolgs – auch Franz selbst schien das nie zu bemerken. Dabei war er ein treuer Freund; er nahm Hans überallhin mit, erzählte ihm alles, behandelte ihn stets als fast ebenbürtig. »Wir sind doch Blutsbrüder.« Aber es gelang Hans nie, aus seinem Schatten zu treten.
    Außer jetzt bei Sonja: Franz war wieder einmal ein paar Monate auf einem Sonderlehrgang gewesen, und Hans hatte seinen Urlaub zu Haus in ihrem Dorf verbracht. Sonja war am Dorfplatz aus dem Bus gestiegen, als Hans gerade vorbeikam, und Hans hatte ihr den Koffer nach Haus getragen. Sie war lange von zu Haus fort gewesen, zur Arbeit in der Kreisstadt. Jetzt kam sie zurück auf den Bauernhof ihrer Eltern, weil sie eine Stelle in der örtlichen Zigarrenfabrik gefunden hatte. Und am Sonntag hatten sie einen Spaziergang durch die Felder gemacht, und Hans hatte ihr einen Strauß Kornblumen gepflückt und gewagt, die Farbe mit ihren Augen zu vergleichen. Sonja hatte den Strauß in ihr Fenster gestellt, wie Hans beim Vorbeiradeln feststellte, und das machte ihn glücklich wie schon lange nichts mehr.
    Und dann war Franz nach Hause gekommen, und Sonja hatte Hans gebeten, ihn ihr vorzustellen.
    Blutsbrüder!
    1949 heiratete Franz Novak Sonja Bauer, und nach sechs Monaten kam ihre Tochter Lotte zur Welt. Als Politoffizier wurde Franz Novak in verschiedenen Grenzkommandos eingesetzt, bis er 1953 auf eigenen Wunsch wieder nach Willersdorf versetzt wurde. Inzwischen hatte sich die Welt um ihn herum erheblich verändert. 1949 waren die Bundesrepublik Deutschland (
BRD
) und die Deutsche Demokratische Republik (
DDR
) gegründet worden, und die Kluft zwischen den beiden Teilen Deutschlands wurde ständig tiefer. Hunderttausende wurden beim Versuch, die Grenze zu passieren, abgefangen (im ersten Halbjahr 1949 allein eine Viertelmillion Menschen). Trotzdem kamen jeden Monat Hunderte durch. Die Machthaber in der
DDR
– die Sowjetische Kontrollkommission und die Staatspartei
SED
 – reagierten darauf zunehmend paranoid. In Absprache mit Moskau ergriff die
SED
-Führung 1952 Maßnahmen, um aus der »Grünen Grenze« einen »Eisernen Vorhang« zu machen.
    Am 15.   Mai 1952 wurde die Deutsche Grenzpolizei zur strafferen Führung dem 1950 nach sowjetischem Vorbild gegründeten und bereits gefürchteten Ministerium für Staatsicherheit (MfS, Stasi, Geheimdienst) unterstellt. Bereits zwölf Tage später, am 27.   5.   1952, erließ das MfS eine Polizeiverordnung über die
Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie
. Paragraf 1 lautete:
Die entlang der Demarkationslinie [Dl] zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Westdeutschland festgelegte Sperrzone umfasst einen 10 m breiten Kontrollstreifen unmittelbar an der Dl
[der umgepflügt wurde],
anschließend einen etwa 500 m breiten Schutzstreifen
[in dem aller Baum- und Buschbewuchs zu beseitigen war]
und dann eine etwa 5 km breite Sperrzone.
Paragraf 4:
Das Überschreiten des 10
-
m-Kontrollstreifens ist für alle Personen verboten. Personen, die versuchen, den Kontrollstreifen in Richtung der Deutschen Demokratischen Republik oder Westdeutschland zu überschreiten, werden von den Grenzkontrollstreifen festgenommen. Bei Nichtbefolgung der

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