Bamberger Verrat
sie dann bestraft wurden. Offiziell war die Verpflichtung zur Grenzpolizei noch immer freiwillig und auf drei Jahre begrenzt. Doch auch nach Ablauf der drei Jahre wurden viele (vierzig Prozent beispielsweise im Jahr 1959) zu einer Verlängerung genötigt, etwa mit der Verweigerung einer Anstellung oder mangelnden Aussichten auf Beförderung.
Besonders unangenehm aber stieà vielen Grenzpolizisten die zunehmende Militarisierung auf, die völlig konträr zur offiziell verkündeten antimilitaristischen und pazifistischen Haltung der Regierung verlief. Für die
SED
-Führung war die Grenzpolizei ein wichtiger Posten in ihren Plänen für die verdeckte Aufrüstung. Schon im Oktober 1948 begann man, die »Grepos« (Grenzpolizisten) aus ihren lokalen Quartieren zu holen, wo sie enge Kontakte zur Grenzbevölkerung aufgebaut hatten, und sie
zur
Festigung der Disziplin
zentral in Kasernen unterzubringen. Sowjetische Kommandeure übernahmen die militärische Ausbildung. Seit Oktober 1952 wurden die Dienstgrade der Polizei in militärische Dienstgradbezeichnungen umgewandelt; statt der bisherigen Polizeiuniformen gab es nun khakifarbene, militärische Uniformen nach sowjetischem Vorbild, die sehr unbeliebt waren. Einige Grenzpolizisten weigerten sich, sie anzunehmen. Ein Kamerad sagte zu Franz Novak:
»Das sind doch Russenuniformen. Nun haben sie uns so weit, wie sie uns haben wollten.«
Kunigunde legte die Blätter beiseite. Ganz gefiel ihr der Ãbergang zu der von Hans Kromm geschilderten Szene noch nicht, obwohl sie sehr froh war, damit wenigstens einen kleinen Einblick in das Gefühlsleben ihrer »Helden« zu bekommen. Aber sie beschloss, nicht mehr an dem Text herumzubasteln; irgendwann musste sie ja auch mal fertig werden.
13
Die Wohnung war ein einziges Chaos. Schubladen und Schranktüren standen offen, Wäsche und Bücher lagen auf dem Boden, das Bettsofa reckte aufgekippt seine Sitzfläche zur Decke und lieà sich in den leeren Bauch sehen.
»Du guter Gott, wie schautâs denn da aus«, entfuhr es dem Hausmeister des groÃen Wohnblocks am Heumarkt, der Charly Baumanns Ein-Zimmer-Appartement für Werner Sinz und Claudia Jung aufgeschlossen hatte.
»Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollen drauÃen warten«, fauchte Werner den Mann an, während er seine Plastikhandschuhe anzog.
Herr Deller schnaufte empört auf.
»Es ist wegen der Spuren, Herr Deller«, sagte Claudia Jung mit begütigendem Lächeln. »Aber bleiben Sie bitte in der Nähe, wir brauchen Sie nachher noch. Wir haben ein paar Fragen zu Herrn Baumann.«
Mit beleidigter Miene zog sich Herr Deller zurück.
»Ist die Spurensicherung verständigt?«, fragte Claudia Jung.
»Hm, ich hab sie schon mal vorgewarnt. Sie kommen, sobald sie am Tatort fertig sind«, antwortete Werner. »Wir müssen ja jedenfalls checken, was von den Sachen Kostner gehörte.«
Er zog sein Handy aus der Tasche und fotografierte das Zimmer im Ganzen und dann die Details: ein Kleiderschrank, eine Kommode, ein Schreibtisch mit PC und Laptop, daneben ein Regal mit wenigen Büchern â Science-Fiction, amerikanische Krimis, Pornos â und ein paar Aktenordnern. Am FuÃende der Bettnische lag ein gröÃerer Haufen Kleider, der möglicherweise auf Kostners Aufenthalt hier zurückzuführen war.
Claudia Jung inspizierte die Küchenecke: Der Kühlschrank war leer bis auf ein Senfglas und eine Tube Mayonnaise, in dem einen Hängeschrank standen Teller, Tassen und Gläser, während der Schrank, der offenbar für die Vorräte bestimmt war, offen stand und geplündert aussah.
Dann ging sie hinüber zum Badezimmer und öffnete die Tür.
»Oh nein, schauen Sie sich das mal an, Kollege. So eine Sauerei!«, rief sie.
Die Toilette und die Wand daneben waren mit Kot beschmiert; es stank fürchterlich. Werner fotografierte von der Tür aus das Bad.
»Ach du meine Fresse! Wer hat sich denn da ausgetobt? Da wird sich die Spurensicherung aber freuen.«
»Ich finde, wir sollten die Spusi bitten, sofort zu kommen.«
»Genau! Sagen Sie denen, hier sei die Kacke am Dampfen«, witzelte Werner und freute sich über sein gelungenes Wortspiel. Er machte ein paar weitere Fotos.
Claudia Jungs Augenbrauen zogen sich zusammen, aber sie tippte nur schweigend eine Nummer in ihr Handy.
»Hallo, Frau Wedel, hier ist Claudia
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