Bamberger Verrat
gleich mit einer provokanten Frage zu beginnen. Claudia Jung, die seitlich neben ihm saÃ, zog leicht die Brauen zusammen.
»Also ich habe Ihnen doch vorhin schon gesagt, dass ich keine Pistole habe, oder?«
Charly sah bleich und unrasiert aus; er wirkte ängstlich und aufsässig zugleich, bemüht, sich nicht einschüchtern zu lassen, bemüht um eine lässige Haltung. Es gelang ihm nicht; er war einfach kein Siegertyp, sondern eher derjenige, der unverschuldet zu spät kommt und dem dann das aufgebrummt wird, was kein anderer tun mag. Seine langen Arme hingen wie falsch angeschraubt an seinem dünnen Körper, und durch seine abstehenden Ohren schimmerte rötlich das Licht. Sein Lieblingswort »also« verriet wohl sein Bedürfnis, sich verständlich zu machen, das Unbegreifliche der Dinge zu erklären.
Aber Werner bemerkte noch etwas anderes in Charlys Blick, etwas, das er nicht einordnen konnte. Der Kerl konnte doch nicht damit zufrieden sein, dass sie ihn geschnappt hatten? Was hatte der vor? Lauerte da irgendeine Falle?
Diese Unsicherheit irritierte ihn und machte ihn gereizt und unfreundlich. Die ganze Situation gefiel ihm nicht: der übertriebene Einsatz bei der Festnahme, dieser junge Mann da ihm gegenüber mit seinem befremdlichen Verhalten, und dazu kam ein undeutliches Gefühl von Angst, Angst davor, dass hier etwas ganz und gar schieflief und eine Gefahr im Anzug war, die er nicht erkannte.
Er schnauzte Charly Baumann an: »Das Gartenhäuschen gehört doch Ihrer Freundin. Wollen Sie, dass wir es zerlegen, um die Pistole zu finden?«
»Zerlegt doch, was ihr wollt! Ihr werdet keine Pistole finden, weil ich keine habe.«
»Das glaube ich Ihnen eben nicht. Wir wissen aus sicherer Quelle, dass Sie im Drogenhandel tätig waren â¦Â«
»Woher �«
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Aber Drogenhandel ist ein gefährliches Geschäft. Sie werden mir doch nicht weismachen wollen, dass Sie Ihre Kurierfahrten ohne Waffe gemacht haben!«
Plötzlich schien Charly verlegen. »Ich ⦠na ja, ich hab mir â¦Â« Er blinzelte und presste die Hände zusammen; dann sprang er über die Hürde. »Also ich ⦠ich hatte einen Pfefferspray.«
»Pfefferspray?«
»Na, besser als gar nichts. Und damit rechnet keiner.« Charly grinste etwas verschämt.
Werner sah mit gerunzelter Stirn Claudia Jung an, aber die zuckte nur leicht mit den Schultern. Also lieà er den Pfefferspray auf sich beruhen und holte die wichtigste Information aus dem letzten Satz.
»Sie geben also zu, dass Sie diese Kurierfahrten für Martin Kostner erledigt haben?«
»Was sollâs? Sie wissen es doch eh schon. Aus sicherer Quelle, nicht wahr?«
Werner ging nicht auf die kleine Provokation ein. »Wie war denn Ihr Verhältnis zu Herrn Kostner?«
Charlys Augen füllten sich unversehens mit Tränen. Es dauerte eine Weile, bis er antworten konnte.
»Marty war mein Freund«, sagte er traurig. »Seit langer Zeit. Aber dann haben wir uns gestritten. Und jetzt ist er tot.«
»Gestritten, so. Und weswegen?«
Charly schaute auf seine Hände und schwieg.
SchlieÃlich sagte er: »Weil ich aussteigen wollte. Also, ich wollte diesen ganzen Mist nicht mehr mitmachen. Marty mit seinem albernen Gangstergetue. Der hatte natürlich eine Pistole, er war ja der Boss.« Das klang verbittert. »Aber das hatte doch alles keine Zukunft. Wir hätten doch nie wirklich ein Bein auf den Boden gekriegt. Das war mir alles zu crazy.«
»Aber man hat doch sicher eine Menge Geld damit verdient?«
»Na ja, wenn Marty groÃzügig war. Aber das wiegt doch die ewige Angst nicht auf, erwischt zu werden. Und auÃerdem ist mir Marty in letzter Zeit wirklich tierisch auf die Nerven gegangen. Also, natürlich habe ich ihn aufgenommen, als er zu Hause rausgeflogen ist, aber er hat keinen Finger gerührt, um sich eine neue Bleibe zu suchen. Und sonst auch nicht. Er hat mich ausgenutzt, das war es. SchlieÃlich habe sogar ich das gemerkt.«
»Sie haben sich also mit Kostner gestritten, weil Sie aus dem Drogenhandel aussteigen wollten. Lag es nicht auch daran, weil er Ihre Freundin angemacht hat?«
»Ja, natürlich, das auch.« Charlys vage Geste drückte Resignation aus.
Werner stand auf, als wolle er sich die Beine vertreten, und sagte wie nebenbei: »Und deswegen haben Sie
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