Bamberger Verrat
ihn getötet.«
»Da warte ich schon die ganze Zeit drauf, dass das wieder kommt. Nein, ich habe Marty nicht erschossen. Das habe ich Ihnen doch auch vorhin schon gesagt.«
»Soo! Woher wissen Sie dann, dass er erschossen wurde?«
»Weil ich es gesehen habe.« Charly rieb sich die Augen und zog die Schultern zusammen, als sei ihm kalt. »Ich habe gesehen, wie der Mörder auf Marty geschossen hat. Es war furchtbar.«
Werner stöhnte spöttisch. »Darauf warten wir nun schon die ganze Zeit, auf den geheimnisvollen Mörder!«
Doch diesmal bemerkte Charly Werners Sarkasmus nicht. »Es könnte auch eine Frau gewesen sein«, sagte er gequält. »Das konnte ich auf die Entfernung nicht so genau sehen.«
»Wieso denken Sie, dass der Täter eine Frau gewesen sein könnte?«, schaltete sich Claudia Jung in die Vernehmung ein.
Charly hob den Kopf und sah Claudia Jung erleichtert an. »Also, das war so: Vor acht Tagen hat da nämlich eine Frau angerufen â¦Â«
»Lassen Sie uns bei der Sache bleiben«, unterbrach ihn Werner und setzte sich wieder vor Charly hin. »Ich würde gern erst noch mal hören, wieso Sie angeblich den Mord beobachtet haben. Was hatten Sie denn an einem regnerischen Aprilabend im Hain zu tun? Nachts um elf Uhr pflegt man ja nicht gerade spazieren zu gehen.«
»Aber das hängt doch alles zusammen, also der Anruf und der Streit und der Brief. Deswegen bin ich doch in den Hain gegangen und Marty auch, weil er doch gedacht haben muss ⦠na ja, also weil ich gesagt hatte, ich würde jetzt mein eigenes Ding machen ⦠aber ich hab doch was ganz anderes gemeint ⦠Doch warum hätte er sonst auf den Brief geschrieben âºDu Verräterâ¹?« Charly hielt verwirrt inne. »Wie erkläre ich das denn nur ⦠Es ist etwas â¦Â«
»Meinen Sie diesen Brief?« Werner zog eine Kopie des Schreibens, das Manfred Schechinger ihm übergeben hatte, aus seinen Unterlagen und legte es Charly vor.
»Ja, genau, das ist er. Ich kann einfach nicht verstehen, warum ich so blöd war, den Brief auf dem Tisch liegen zu lassen. Und dann hat Marty ihn gefunden und seine verrückten Schlüsse draus gezogen. Wenn ich den Brief eingesteckt hätte, wäre er ⦠Ach verdammt!«
»Sie wollten also âºIhr eigenes Dingâ¹ machen, wie Sie es ausdrückten, und sind zu dem Treffpunkt gegangen, um âºdas Materialâ¹, wie hier steht, abzuholen. Und Martin Kostner ist Ihnen auf die Schliche gekommen.«
»Neiin! Das hat er doch bloà geglaubt. Er â¦Â«
»Er ist Ihnen nachgeschlichen und hatte seine Pistole dabei, und bei dem anschlieÃenden Gerangel â¦Â«
»Ach was!« Charly war jetzt richtig wütend. »Er war ja vor mir da. Das war ja sein Pech!«
Claudia Jung fragte ruhig: »Was war denn das für ein âºMaterialâ¹, das der Briefschreiber Ihnen übergeben wollte?«
»Das glauben Sie ja doch nicht!« Charly zuckte resigniert mit den Schultern. »Es waren Unterlagen über meinen Vater.«
»Was?«, rief Werner. »Und deswegen gehen Sie nachts um elf Uhr in den Hain? Um Unterlagen über Ihren Vater abzuholen?«
»Ich wusste ja, dass Sie mir ⦠Also, ich glaubâs inzwischen ja selbst kaum, dass ich so dumm sein konnte, da hinzugehen.«
»Die Unterlagen müssen Ihnen sehr wichtig gewesen sein«, bemerkte Claudia Jung.
»Ja, wären sie gewesen. Ich hab sie ja nicht bekommen.«
»Um welche Unterlagen hätte es sich denn gehandelt?«
»Das hängt eben mit diesem Anruf vor acht Tagen zusammen.« Charly drehte sich zu Claudia Jung hin. »Aber nein, so versteht man das nicht ⦠also okay, ich muss früher anfangen. Mein Vater â¦Â« Er schwieg einen Moment und rieb sich die Stirn, um sich zu konzentrieren.
»Also schon immer, seit ich denken kann, hab ich gespürt, dass mein Vater was verschweigt, dass es da irgendein ⦠ein Geheimnis geben muss«, begann Charly. »Ich bin in der DDR geboren, in Erfurt; das wissen Sie ja wahrscheinlich. Da ging es uns gut, also meinen Eltern und mir, wir hatten eine groÃe Wohnung, und mein Vater hatte eine Uniform, auf die er sehr stolz war und die er bei Paraden und Festen und so anzog. Er muss irgendwas Höheres bei der Nationalen Volksarmee gewesen sein.«
Claudia Jung warf einen Blick in die
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