Bamberger Verrat
Leib gerissen wird?â¹ oder so ähnlich. Ich sag: âºHäh?â¹ und denk, die Frau ist doch meschugge. Da springt sie auf und schaut mich wieder so an und zischt: âºVerdammt, er weià es noch nicht!â¹Â«
Hans Kromm schüttelte verwundert den Kopf.
»Und dann?«, fragte Benno.
Lange Pause. »Nu, dann, nu ja, dann ist sie gegangen.«
Hans Kromm schaute links an Benno vorbei und knetete die Hände. Sein rechtes Augenlid zuckte. Er war trotz seiner Verschlagenheit kein besonders guter Lügner.
»Das stimmt nicht, Herr Kromm«, sagte Benno hart. »Jetzt erzählen Sie schon: Was hat Frau Gerstner noch gesagt?«
Kromm tat, als hätte er Benno nicht gehört. Er sah zu Boden, seine Lippen bildeten einen geraden Strich. Er schien mit dem Stuhl zu verschmelzen und schwieg.
»Verdammt, Herr Kromm, was hat Frau Gerstner noch zu Ihnen gesagt?« Bennos Stimme klang gereizt und bedrohlich.
Doch Hans Kromm schwieg, die Schildkröte hatte sich in ihren Panzer zurückgezogen. Das Schweigen dehnte sich. Schmerzhaft.
Benno wartete.
Plötzlich sagte der Wachmann aus dem Hintergrund: »âºEs wird dir noch leidtun, du elender Verräter!â¹, hat sie gesagt.«
»Danke«, sagte Benno erstaunt, drehte sich aber nicht um, sondern bündelte seine Aufmerksamkeit auf Hans Kromm.
»Was meinte sie mit âºelender Verräterâ¹, Herr Kromm? Warum hat sie das zu Ihnen gesagt?«
Kromm zog den Kopf zwischen die Schultern und presste die Lippen noch stärker zusammen. Sein Augenlid flatterte.
»Ach, was weià die schon. Ich konnte doch nichts dafür.« Seine kleinen Augen huschten unruhig hin und her, als suchten sie einen Ausweg, und seine Stimme kippte ins Weinerliche. Plötzlich strömten die Worte aus ihm heraus wie Schmutzwasser. »Ich konnte doch nicht damit rechnen, dass sie ihn ⦠ich konnte nicht mit einem Todesurteil rechnen. Das hat ja sogar der Richter hier gesagt. Ich bin ja auch nicht bestraft worden. Oder doch bloà Bewährung. Weil es doch ein Fall von Spionage war. Und da musste ich doch meine Pflicht tun, ich war ja Soldat, da muss man Befehlen doch gehorchen. Sonst wär ich ja selbst in Gefahr, wär ich da gekommen. Das waren doch damals ganz andere Zeiten als heute, ganz andere Umstände waren das. Wer das nicht miterlebt hat, der kann das gar nicht verstehen. Die haben mich ja bedroht, die von der Stasi. Ich hätte ja nie mehr ⦠Ich war ja auch ein Opfer, ja, das war ich.«
Benno schluckte schwer. Ekel und Wut würgten ihn. Er hatte sich während seines Studiums intensiv mit den Aussagen der Nazis in den Nürnberger Prozessen beschäftigt, und die Erinnerung daran schüttelte ihn. Es war immer das Gleiche: Keiner konnte was dafür, schuld waren immer die andern, man hatte ja nur Befehlen gehorcht. Kreaturen wie dieser Kromm waren der Keimboden, die Grundhefe von Diktaturen, welcher Art auch immer. Wenn solche Leute Macht bekamen, und sei sie noch so gering, gediehen diese schändlichen Systeme prächtig. Benno beherrschte sich mühsam, aber seine Stimme klang eiskalt, als er die wesentliche Frage stellte, die, auf die es ankam.
»Wen haben Sie verraten, Herr Kromm?«
Er bekam keine Antwort. Hans Kromm schwieg verbissen. Der sprachlose Kampf während der nächsten Minuten kostete beide Kontrahenten viel Kraft. Aber Benno wusste jetzt, dass er auf der richtigen Spur war, und lieà nicht locker.
»Herr Kromm, ich werde immer wieder kommen und Ihnen die gleiche Frage stellen: Wen haben Sie verraten? Dieses Spiel werden Sie verlieren.«
Hans Kromm schloss die Augen. Sein Schweigen veränderte sich, die harte Schale knackte, die Spannung zerfiel. Plötzlich gab er auf. Sein Kopf sackte nach vorn, und er schlug die Hände vors Gesicht.
»Ich habe Franz Novak ⦠verraten ⦠meinen Freund«, murmelte er. Dann hob er den Kopf und sagte laut und deutlich: »Ich habe meinen Freund verraten.«
34
Das Vernehmungszimmer war ein kahler Betonkasten, hell gestrichen, hell erleuchtet und ablenkungsfrei. Nur die Spiegelscheibe, durch die man vom Nebenraum aus das Geschehen beobachten konnte, und die Kamera darüber unterbrachen die Glätte der Wände.
»Wo haben Sie die Pistole versteckt?«
Werner hatte sich entschlossen, den Stier bei den Hörnern zu packen und die Vernehmung von Charly Baumann, nach den notwendigen Belehrungen,
Weitere Kostenlose Bücher