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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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durch Tausende ähnlicher Fälle immer weiter vergrößerte. Durch den Bau der Berliner Mauer, die symbolhaft für die immer perfekter ausgebaute Undurchdringlichkeit der innerdeutschen Grenze steht, wurde dies für alle Welt sichtbar und wuchs aus den individuellen Erinnerungen ins kollektive und »kulturelle Gedächtnis unseres Volkes«, wie Aleida Assmann dies in ihrem Buch »Der lange Schatten der Vergangenheit« so eindrucksvoll formuliert hat.
    Diesen Satz muss ich noch umbauen, dachte Kunigunde, den versteht ja so kein Mensch. Dann machte sie sich leise stöhnend an die Fußnoten des ersten Kapitels.

5
    Eltern vom Tod ihres Kindes verständigen zu müssen, rangierte unter den unangenehmen Aufgaben seines Berufs eindeutig an erster Stelle. Deshalb war Werner Sinz froh, jetzt auf dem Weg zu den Kostners eine Kollegin dabeizuhaben. Die Anwesenheit einer Frau machte die Sache irgendwie leichter.
    Er betrachtete sie von der Seite, wie sie den Wagen durch den regenertränkten Vormittagsverkehr steuerte. Claudia Jung war eine kräftige Frau mit kurzen dunklen Locken, wachen, humorvollen grauen Augen hinter einer unvorteilhaften Hornbrille und vollen Lippen, die gern spöttisch lächelten. Sie war nicht hübsch, und ihre Kleidung sah immer nach praktischen Schuhen aus, aber man fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart, wie unter dem Schutz einer verständnisvollen älteren Schwester.
    Sie war erst vor zwei Wochen aus Nordrhein-Westfalen nach Bamberg versetzt worden, auf ihr eigenes Betreiben hin. Ihr Vater, den sie seit dem Tod der Mutter versorgte, hatte im Bamberger Boschwerk eine leitende Stelle im Management angetreten. Sie war Werner als Teamkollegin und zur Einarbeitung zugeteilt worden, und sein anfangs gesträubtes Gefieder hatte sich inzwischen gelegt, auch wenn die Rollenverteilung zwischen ihnen noch immer nicht ganz klar war.
    Eindeutig kompetenter war er jedenfalls, wenn es galt, ihr die Stadt vorzustellen, und als sie sich jetzt der Wattstraße näherten, erklärte er ihr, dass hier um die Ecke ein Stadtteil liege, der ein Zehntel der Stadtfläche von Bamberg einnehme, den aber nur wenige Bamberger seit 1946 je betreten hätten, das Gebiet der US Warner Barracks, das hinter einem hohen Drahtzaun am Rand des Hauptsmoorwaldes eine Welt für sich bildete.
    Sie hielten in der Wattstraße vor dem Haus der Kostners. Es war eines der größeren Anwesen in der Reihe braver satteldachgedeckter Doppelhaushälften. Als Werner klingelte, öffnete ihm eine verhuschte kleine Frau mit ängstlichem Blick.
    Werner zeigte seine Polizeimarke. »Frau Kostner? Ich bin Hauptkommissar Werner Sinz, und das ist meine Kollegin, Frau Jung. Dürfen wir hereinkommen?«
    Frau Kostner zögerte, öffnete aber schließlich doch die Tür und ging vor den beiden her zum Wohnzimmer. Die Einrichtung des Raums wirkte wie ein Foto aus einem altmodischen Möbelkatalog – wulstige braune Ledersofas, ein Schrank mit gelben Butzenscheiben und Fernseherfach, ein Sideboard, ein Couchtisch mit gedrehten Füßen und Glasplatte – sauber, aufgeräumt und ohne eine Spur von Individualität.
    Â»Frau Kostner, ist Ihr Mann zu Hause?«
    Â»Ja, schon, aber …«
    Â»Könnten Sie ihn bitte herrufen? Es ist wichtig.«
    Â»Aber das geht nicht. Er ist in seinem Büro. Da darf er nicht gestört werden.«
    Â»Diesmal werden Sie ihn stören müssen. Es muss wirklich sein.«
    Frau Kostner ging hinüber zu einer Tür auf der anderen Seite des großen Raumes und klopfte zaghaft an. Von jenseits der Tür war ein ärgerliches Grollen zu hören. Frau Kostner öffnete die Tür ein wenig und sagte durch den Spalt: »Heiner, die Polizei ist da. Sie sagen, es sei wichtig.«
    Daraufhin wurde die Tür aufgestoßen, und Herr Kostner erschien auf der Schwelle, mit rotem Gesicht und doppelt so schwer wie seine Frau.
    Â»Was wollen Sie denn hier?«
    Â»Würden Sie sich bitte setzen, Herr Kostner?«, sagte Werner freundlich, aber bestimmt.
    Heinrich Kostners Blick ließ deutlich erkennen, dass er es nicht gewohnt sei, Befehle entgegenzunehmen.
    Â»Setzen Sie sich bitte, Herr Kostner!« Werners Stimme war eine Spur härter geworden.
    Herr Kostner ließ sich unwillig in einen Sessel fallen, während Frau Kostner in einem der Sofas verschwand. Werner und Claudia Jung setzten sich ihr

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