Bamberger Verrat
schüttelte den Kopf, verzweifelt, aber auch unwillig.
»Er sagt mir ja nichts«, murmelte sie.
»Aber Sie wissen es doch, nicht wahr?«
Wieder ein fast unmerkbares Kopfschütteln. Frau Kostner starrte auf ihre geballten Fäuste und schwieg.
Claudia Jung schaute Werner über Frau Kostners gebeugten Kopf hinweg an und signalisierte ihm mit den Augen, dass auch diese Tür für den Moment zugefallen war.
»Dürften wir einmal Martins Zimmer sehen, Frau Kostner?«, fragte sie sanft.
»Aber da ist doch nichts mehr. Mein Mann hat doch alles rausgeschmissen. Wie günstig, dass gerade Sperrmüll ist, hat er gesagt.«
Das Wort »Sperrmüll« klang wie ein Schrei, ein herzzerreiÃender leiser Schrei.
»Dürfen wirâs uns trotzdem ansehen?«
Frau Kostner führte sie in das obere Stockwerk und in ein groÃes, tatsächlich völlig leer geräumtes Zimmer, das hell wirkte, obwohl eine Wand schwarz gestrichen war. Auf dem Teppichboden sah man die Konturen der Möbel, die da einst gestanden hatten.
Frau Kostner stand verloren in der Mitte des Raumes und kämpfte wieder mit den Tränen.
»Eigentlich ist er ein guter Junge«, sagte sie erstickt. »Ein bisschen schwierig vielleicht. Aber das war nur der schlechte Einfluss seiner Freunde.«
»Was war der schlechte Einfluss seiner Freunde?«, fragte Werner.
Schweigen.
»Es ist schon wahr; oft haben Freunde viel mehr Einfluss als die Eltern.« Claudia Jung klang mitfühlend. »Kennen Sie denn die Freunde Ihres Sohnes?«
»Ja, den einen kenne ich ganz gut. Charly. Karl-Heinz Baumann. Der hat früher gleich hier um die Ecke gewohnt. Er und Martin sind schon zusammen in die Volksschule gegangen. Der ist Martins bester Freund, kann man sagen. Bei dem ist Martin auch untergekommen, als er ⦠als er hier â¦Â« Sie nestelte an ihrer grauen Strickjacke und betrachtete die Wände, als wüssten diese einen Ausweg.
»Und da hat er bis jetzt gewohnt? Wissen Sie auch die aktuelle Adresse von Herrn Baumann?«
Frau Kostner überlegte. »Irgendwo in der Innenstadt. Genau weià ich es nicht, das hat Martin nicht gesagt. Aber, warten Sie, als ich einmal mit ihm telefoniert habe â sagen Sie das bitte bloà nicht meinem Mann, der hat mir jeden Kontakt verboten. Aber ich hatte ja noch Martins Handynummer. Und damals, da hat er irgendeinen Witz über die dicke Frau gemacht, die er von seinem Fenster aus gesehen hat.«
»Was für eine dicke Frau denn?«
Frau Kostner wischte sich zaghaft die Nase an ihrem Jackenärmel ab, mit abgewandtem Kopf, damit die beiden Kommissare es nicht sahen.
»Na, die Bodera oder wie sie heiÃt.«
Werner lächelte zufrieden. »Oh danke, das hilft uns weiter.«
Claudia Jung schaute ihn fragend an, aber Werner konzentrierte sich ganz auf Frau Kostner.
»Der Charly war aber keiner von den Schlimmen. Der war eigentlich immer ganz höflich. Aber die beiden anderen, ach Gott, das waren wirklich â¦Â«, sie suchte nach einem passenden Wort, »â¦Â brutale Kerle waren das. Wie oft hab ich Martin gebeten ⦠na ja, das hat ja alles keinen Sinn mehr.« Sie presste die Faust so fest gegen ihre Lippen, dass es wehtat, ihr zuzusehen.
»Ihr Sohn hatte also neben Charly Baumann zwei weitere Freunde, mit denen er häufig zusammen war«, konstatierte Werner.
Frau Kostner nickte.
»Wissen Sie auch, wie die beiden heiÃen?«
Frau Kostner sagte etwas erstaunt, als fiele ihr das jetzt erst auf: »Nein. Martin hat sie mir nie vorgestellt, obwohl sie oft da waren. Ich weià nur die Spitznamen. Harry und Manno hat er sie genannt.« Mit verbissenem Gesicht murmelte sie noch: »Harry und Manno, Mistkerle!« Sie schien ihre ganze verzweifelte Wut in dieses Schimpfwort zu legen.
»Und wissen Sie vielleicht, wo die beiden wohnen?«
»Ich weià nur, dass sie hier irgendwo aus der Gegend sind. Früher sind sie immer mit ihren Mofas herumgeknattert und haben alle Leute aufgeweckt. Und Martin hat manchmal gesagt: âºIch geh noch auf einen Sprung rüber zu Harry oder zu Manno.â¹ Aber wo genau ⦠tut mir leid.«
»Das macht nichts. Sie haben uns sehr geholfen, Frau Kostner. Wenn Sie heute um zwei Uhr bitte mit Ihrem Mann zu uns â¦Â«
Aber Frau Kostner nahm Werner nicht mehr wahr. Sie hatte sich abgewandt und pulte einen ReiÃnagel aus der schwarzen
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