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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Ich war
dringend hinter einem interessanten Auftrag her. Bei diesem Jungen war aber
nichts drin. Es sei denn...
    Ich sah plötzlich ein
Betätigungsfeld vor mir. Hätte mir übrigens schon früher einfallen können, aber
an manchen Tagen hab ich eine lange Leitung, auf der ich dann auch noch stehe.
    Mal sehen... Paul hatte sich
aus Gründen umgebracht, die im dunkeln blieben. Wenn
ich nun versuchte, sie rauszukriegen? Einspruch, Euer Ehren: das ist den Flics
auch nicht gelungen. Einverstanden. Aber Flics, das sind Beamte, keine
Künstler, keine scharfen Spürhunde (Abgesehen vielleicht von Masoultre, und
nicht mal der...) Sie kriegen einen sauberen Selbstmord geliefert, sie
ermitteln routine- und pflichtgemäß, finden aber nichts; und da es sich
offensichtlich nicht um ein vertuschtes Verbrechen handeln kann, gehen sie zum
nächsten Fall über.
    „Ja, hier konnte ich mich
vielleicht betätigen. Außerdem wär’s ziemlich lästig gewesen, die kleine Jacqueline
drei Wochen oder länger hinzuhalten. Davon hätte keiner was gehabt. Und wer
garantierte mir dafür, daß sie nach einem Monat Vernunft annehmen würde? Wenn
ich ihr dagegen einen ordentlichen Grund für das tödliche Verhalten ihres
Geliebten liefern könnte... Sicher, sie würde leiden; aber nicht mehr als
jetzt. Und erst mal von dieser schrecklichen Ungewißheit erlöst, würde sie sich
schneller wieder fangen. Ja, ich konnte loslegen. Schien mir etwas schwierig zu
werden, aber ich hatte schon Schlimmeres erlebt.
    Ich verließ das Bistro und ging
zu einem Chinesen in die Rue Cujas, Peking-Ente essen. Zum Dessert ging ich ins
Champollion, dem kleinsten Kino von Paris (genau einhundertsiebenundfünfzig
Plätze!). Es wurde Obsèques en robe sac (Beerdigung im Sackkleid)
gegeben, ein Krimi mit Jacqueline Pierreux, die immer noch so schön war, immer
noch — ich war ihr deswegen nicht böse — so verschwenderisch mit ihren Reizen.
Heute war mein Jacqueline-Tag. Und der Tag des Schauspiels — mit ständig
wechselndem Programm. Nach dem Kino ins Cabaret. Ich ging zu meinem Dugat.
Entlang der Seine kam ich in die Rue du Haut-Pavé.
    Chez Colin des Cayeux. Die pseudo-gothischen
Buchstaben neon-strahlten halbhoch an der Fassade eines alten klotzigen
Gebäudes. Ich hatte mich nicht geirrt: das Cabaret, in dem Jacqueline auftrat,
befand sich an genau derselben Stelle wie damals der Poète Pendu.
    Zuerst kam man in eine Bar,
dann ging’s eine Treppe runter zum eigentlichen Cabaret. An den Wänden der Bar
waren noch Spuren vergangener Zeiten zu sehen. Auf einem Blechschild stand: A
l’Ymayge Nostre-Dame. Ein Plakat mit der Unterschrift Freddy-Vidal zeigte
einen schmächtigen Kerl mit dichtem Haarschopf und grünem Gesicht, ein Strick
um den Hals, die Zunge rausgestreckt. Darunter die Aufschrift: „ Le Poète Pendu streckt den
Idioten die Zunge raus.“ In diesem Programm aus längst vergangener Zeit traten
auf: Jacques Cathy, Pierre Ferrary, Lucien Lagarde, Léo Malet usw.
    Aber nirgendwo eine Ankündigung
des aktuellen Programms.
    An der Theke stand ein
schlechtgelaunter, schweigsamer Mann. Neben ihm tuschelte ein Paar miteinander.
Der Barkeeper hantierte mit den Flaschen. Das traditionelle weiße Jackett hatte
er gegen eine farbige Jacke eingetauscht. Er grüßte mich mit einem übertrieben
schwungvollen „Guten Abend Messire“. Den Affen zu spielen, nahm ihn voll
und ganz in Anspruch. Aus dem Untergeschoß drang Stimmengewirr und eine volle,
asthmatische Musik. Wahrscheinlich aus einem Harmonium. Das Garderobenfräulein
war als Troubadour oder Page verkleidet. Irgendwas in der Art. Samtmütze mit
Feder, dekolletierter Wams und enganliegende Hose, ein Bein rot, das andere
grün. Ich gab ihr Mantel und Hut und sie mir dafür den Rat, an der niedrigen
Tür zum Cabaretsaal auf meinen Kopf zu achten. Ich ging die ausgetretene
Steintreppe hinunter.
    Unten herrschte reges Treiben
in einem günstigen Halbdunkel. Alle schrien sich irgendwas zu. Das Harmonium
kämpfte verzweifelt dagegen an, aber seine Kraft reichte nicht. Die verrauchte,
etwas feuchte Luft roch nach Parfüm — dem teuersten wie dem billigsten — und
nach allen möglichen Tabaksorten. Das Licht kam, ganz im Stil des 15.
Jahrhunderts, von Lampen, die durchs viele Blenden blind geworden waren. Soweit
ich das in diesem Schummerlicht beurteilen konnte, waren die Wände holzvertäfelt
und mit Szenen aus villoneskem Leben bemalt: Diebstahl von Lebensmitteln,
Aufhängen von Galgenvögeln, Abhängen von

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