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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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in der Bar zeigte
viertel nach zwölf. Der Barkeeper wartete hinter der Theke und wechselte quer
durch den Raum ein paar Worte mit dem Garderobenfräulein. Ich ließ mir einen
Wartedrink mixen.
    Unten wurde im Chor ein
Soldatenlied gegrölt. Bis hinauf in die Bar hallte es dumpf und rhythmisch.
    Die Eingangstür wurde geöffnet.
Ein Junge und ein Mädchen kamen zusammen mit der kalten Nachtluft herein, beide
jung, beide mit Brille, beide im Dufflecoat. Sie stellten sich an die Theke.
    „Salut, Georges“, sagte der
Junge. „Nicht grade warm.“
    „Salut. Schneit es noch?“
    „Nein.“
    Zum Beweis zeigte der neue Gast
auf seinen Mantel.
    „Trotzdem ist es nicht warm.“
    Schien schlechte Laune zu
haben, der Kleine.
    „Bei der Jahreszeit“, sagte der
Barkeeper. „Was wollt ihr?“
    „Ist Jacqueline schon weg?“
fragte das Mädchen.
    Ihre müde, schleppende Stimme
war genauso bläßlich wie ihre Wangen, die auch die Kälte nicht belebt hatte.
Sie nahm ihre Brille ab, um die beschlagenen Gläser zu putzen. Sie hatte tiefe
Ringe unter den Augen. Ihr Freund putzte sich ebenfalls die Brillengläser.
    „Noch nicht“, antwortete der
Mann hinter der Theke.
    „Dann trinken wir noch was, bis
sie kommt.“
    Der junge Mann betrachtete
zerstreut meine Pfeife mit dem Stierkopf, dann sah er auf die Wanduhr.
    „Wegen deinem Kram“, schimpfte
er, „kommen wir zu spät zu Hubert. Verdammt nochmal! Brauchst du das Buch
unbedingt? Kann das nicht bis morgen warten? Ich wette, du nimmst das vor einer
Woche nicht in die Hand.“
    „Du langweilst mich“, erwiderte
das Mädchen. Das war bestimmt nicht gelogen. „Ich brauch es eben, und ich
krieg’s nur wieder, wenn ich mir Jacqueline jetzt hier schnappe.“
    In diesem Augenblick kam
Jacqueline herein. Sie küßten sich alle ausgiebig, wie alte Freunde.
    „Sag mal“, begann das blasse
Mädchen, „das Buch, das ich dir geliehen habe... übers Theater... ich hätt’s
gerne wieder. Können wir’s jetzt von dir holen?“
    „Jetzt?“
    „Ja.“
    „Sicher...“
    „Jacqueline sah mich an.
    „Macht es Ihnen was aus...“
    „Absolut nicht“, sagte ich.
    „Ach! Der gehört zu dir?“
wunderte sich das Mädchen und sah mich erstaunt an.
    „Ja. Darf ich vorstellen... Nestor
Burma... Yolande Lachal... Gérard Basily.“
    Wir gaben uns die Hand. Danach
schlug ich vor, sie in meinem Auto mitzunehmen... natürlich nur, falls sie kein
eigenes hätten... Sie waren tatsächlich zu Fuß hier und nahmen mein Angebot an.
    Im Hôtel Jean schlief alles
tief und fest. Es lag in der Mitte der abschüssigen Rue Valette, auf der Höhe
der Montagne Sainte-Geneviève. Durch die Eingangstür sah man hinten in der
Halle einen schwachen Lichtschein, wahrscheinlich aus einem kleinen
Nebenzimmer, der Höhle des Nachtportiers. Bevor Jacqueline aus dem Wagen stieg,
kramte sie in ihrer Handtasche. Ja, jetzt hatte sie eine große Handtasche bei
sich. Sah weiblicher aus als die Mappe vom Nachmittag.
    „Verflixt! Ich kann meinen
Schlüssel nicht finden. Hoffentlich hab ich ihn nicht schon wieder verloren.“
    Ihre Stimme klang eine Spur
beunruhigt.
    „Kannst dir ja den Passepartout
vom Portier holen“, sagte Yolande.
    „Ich möchte Germain nicht
wachmachen. Wenn man ihn weckt, wird er ungemütlich. Er ist dann eine Woche
lang böse, und man kann nichts mehr von ihm kriegen.“
    „Ein schöner Nachtwächter!“
lachte Gérard. „Er pennt! Ihr könntet alle da drin vergewaltigt werden.“
    „Red nicht so’n Quatsch. Das
ist ein friedliches Hotel. Ob Germain schläft oder nicht... Ah! Da ist er ja. Ich
hatte schon Angst... hab ihn erst vor ein paar Tagen verlegt. Ein Glück, daß
ich ihn wiedergefunden ..
    „Oh, jetzt reicht’s aber, Jac“,
unterbrach Gérard sie ungeduldig. „Das kannst du uns ein anderes Mal erzählen.
Ich sollte schon längst bei Hubert im Warmen sitzen. Mir frieren die Ohren ab. Geh rauf und hol das Scheiß-Buch endlich.“ Die beiden
Freundinnen stiegen aus und gingen ins Hotel. Gérard und ich blieben schweigend
zurück. Keiner sagte ein Wort. Beide blickten wir auf die Kuppel des Panthéon
am Ende der Rue Valette. Das imposante Gebäude hob sich vor einem klaren,
wolkenlosen, aber frostigen Himmel ab.
    Plötzlich flog die Eingangstür
des Hotels auf. Jacqueline stürzte auf meinen Wagen zu. Sie keuchte, sah gar
nicht gut aus.
    „Schnell“, rief sie mir zu.
„Kommen Sie... Sie wissen besser als wir... ich... kommen Sie, schnell...“
    „Was ist los?“ fragte ich

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