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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Jetzt wurde es mucksmäuschenstill,
ein Engel flog durchs Zimmer. Da faßte sie sich an den Slip. Konnte einem glatt
der Hut hochgehen. Hoffentlich sah der Engel das nicht... Der Slip mit seinen
geschickt angebrachten Reißverschlüssen glitt die hübschen Beine hinunter und
ließ einen klitzekleinen, aber darum nicht weniger wirksamen Keuschheitsgürtel
zum Vorschein kommen!
    Na also. Die Moral war gerettet
und die dumme Tradition der Kreuzzüge respektiert.
    Das gab einen Heidenspektakel.
Endlose Hochrufe, frenetischer Beifall. Jacqueline verneigte sich und
verschwand rückwärts in den Kulissen. Die Falten des fallenden Vorhangs
zitterten wie sicher so einige Knie bei den Zuschauern. In den allgemeinen Lärm
hinein spielte das Harmonium einen Totentanz.
    Ich machte dem Kellner ein
Zeichen. Er kam zu mir an den Tisch.
    „Kommt die Stripperin nochmal?“
fragte ich ihn.
    „Nein. Würde mir zwar gefallen,
aber ich hab dabei nichts zu sagen. Aber das Programm ist noch nicht zu Ende.
Jetzt ist der Chef dran... der Tavernier, wollte ich sagen. Scheiße! Ich
vergesse immer meinen Text.“
    „Jehan de Montgibet?“
    „Ja.“
    „Zieht der sich auch aus?“
    „Er
singt nur. Le plaisir des Dieux, Les filles de Camaret ...“
    „ Ach so. Lieder aus dem Quartier
Latin.“
    „Ja. Ganz hübsch.“
    Ich kenne das gesamte
Repertoire auswendig. Von Patachou ist mir’s lieber. Aufregender. Also stand
ich auf und ging nach oben.
    „Ich möchte zu Jacqueline
Carrier“, sagte ich zum Garderobenfräulein. „Wo kann ich...“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Wo denken Sie hin? Wenn Sie sich
auch nicht schämt, nackt aufzutreten...“
    „Ich bin ein Freund von ihr.“
    „Das sagen alle.“
    „Bei mir stimmt’s zufällig. Sie
werden sehen. Geben Sie ihr bitte meine Karte. Übrigens hab ich sie doch bei
ihrem richtigen Namen genannt, oder?“
    „Stimmt.“
    Ich reichte ihr meine Karte,
die in einen Geldschein gewik-kelt war.
    „Werd sehen, was sich machen
läßt“, sagte sie und nahm alles. „Wenn Gäste kommen, ich bin sofort zurück.“
    Sie war tatsächlich sofort
zurück und zeigte auf die Tür, durch die sie gekommen war. Hier mußt man nicht nur auf seinen Kopf achtgeben, sondern auch
auf seine Füße, wegen der Stufen. Die Künstlergarderoben befanden sich in
ehemaligen Kellerräumen. Jacqueline erwartete mich in einer der Türen. Jetzt
trug sie einen keusch geschlossenen Morgenmantel. Eine dicke Glühbirne hinter
ihr umgab ihr goldenen Haare wie einen Heiligenschein.
Der Engel von eben.
    „Guten Abend, Monsieur Burma“,
sagte sie verlegen. „Waren Sie... waren Sie im Saal?“
    „Ja.“
    Sie wurde feuerrot und biß sich
auf die Lippen.
    „Darf man reinkommen?“ fragte
ich.
    „Natürlich, wenn Sie möchten..
    Der ehemalige Kellerraum war
mehr schlecht als recht eingerichtet. Das Mobiliar bestand aus einem
Frisiertisch, zwei Stühlen wie die bei der Kripo und einem eingebauten
Kleiderschrank. Der Heizkörper unter dem Frisiertisch verbreitete eine
angenehme Wärme. Auf dem Tisch lag, neben Schminktöpfchen und
Papiertaschentüchern zum Abschminken, der Keuschheitsgürtel. Jacqueline setzte
sich an den Schminktisch und sah mich im Spiegel an.
    „Jetzt werden Sie sicher wer
weiß was von mir denken, nicht wahr?“
    „Warum denn? Seien Sie nicht
albern. Was soll diese blöde Prüderie? Hatten Sie mich nicht hierher bestellt?“
    „Ja, aber ich wollte wieder
absagen. Was ich übrigens auch getan habe. Hab ich Ihnen doch erklärt.“
    „Ja. Jedenfalls bedaure ich’s
nicht, Ihren Auftritt gesehen zu haben. Hat mir gefallen. Ihre Idee?“
    „Nein. Sprechen wir nicht mehr
darüber, ja? Manchmal ekle ich mich vor mir selbst. Aber erst kommt das Fressen
„Übertragen Sie Ihren Hunger nicht auf mich. Ich bin Ihr Freund, und ich hab
keine Vorurteile. Weiß Pauls Vater Bescheid?“
    „Ja. Sprechen wir nicht mehr
darüber, ja?“
    „Gut. Sprechen wir ein wenig
über Paul. Ich brauche noch ein paar Informationen. Ich weiß, es tut Ihnen weh,
aber schließlich haben Sie mich engagiert, um...“
    „Sie haben schon angefangen?“
    Sie wurde lebhaft.
    „Langsam! Ich kann auch nicht
hexen.“
    „Ja, ja, natürlich.“
    „Ich warte oben in der Bar auf
Sie, ja? Wollte Ihnen nur Vorschlägen, in ein ruhiges Bistro zu gehen und dort ein
wenig zu plaudern.“
    „Einverstanden. Ich komme
gleich hoch... muß mich nur wieder in ein anständiges Mädchen verwandeln“,
fügte sie mit einem traurigen Lächeln hinzu.
    Die Uhr

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