Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Anstrengungen wie die Inder vor Rindfleisch. Es geht um Fragen wie: Bestelle ich mir noch einen Kokosnusssaft oder lieber einen Wassermelonenshake? Soll ich wirklich Siesta halten, oder kann ich dann heute Nacht nicht mehr schlafen? Soll ich der Hängematte noch einmal mit dem Fuß Schwung geben, oder passt das schon so? In so einer Umgebung ist man für Botschaften wie «Hör auf deine innere Stimme», «Alles, was passiert, ist vom Universum gewollt» oder «Jeder Mensch hat einen Engel, der ihn beschützt» aufgeschlossener, als wenn es regnet, der Wecker um 7.30 Uhr klingelt und die Haare des Mitbewohners den Abfluss verstopfen.
Will heißen: Nach drei Monaten Strand, alten Tempeln und Gesprächen über den Sinn des Lebens in einer Hängematte ist man zu einer leichten Beute geworden. Hinzu kommt, dass die meisten Backpacker auf dem Banana-Pancake-Pfad zu wandeln beginnen, wenn sie sich in einer Phase der vorübergehenden Orientierungslosigkeit befinden. Die ist entweder zwischen 18 und 24 altersbedingt oder wird durch kleinere Lebenskrisen wie den Abschluss des Studiums oder das Ende einer fünfjährigen Beziehung verursacht. Menschen, die also ohnehin auf der Suche nach Inspiration sind, stoßen dann in den sandigen Regalen eines Strandhostels auf die Bestseller der internationalen Esoterikliteratur – von Die sieben geistigen Gesetze des Erfolgs von Deepak Chopra über den Sinnfindungsklassiker Siddhartha von Hermann Hesse bis zum Vademekum aller depressiv Verstimmten, dem Alchimisten von Paulo Coelho. Darin stehen esoterische Durchhalteparolen und Marschbefehle wie «Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert», die beim von Sonne, Nichtstun und Meer weichgespülten Backpacker Aha-Erlebnisse auslösen.
Meist lauert in unmittelbarer Nähe ein betont geheimnisvoll dreinschauender Typ, der wie eine Jukebox in zufälliger Reihenfolge Weisheiten von sich gibt. Er sitzt schon seit Monaten im Lotussitz am selben Strand. Oft trägt er Tattoos (von mystischer Bedeutung, die er aber nicht jedem erklärt), viel Schmuck und spielt mit Bällen. Wie eine Spinne wartet er auf seine Opfer und lockt sie mit einem Spruch in sein Netz: «Der Mondkalender der Maya ist unglaublich faszinierend, und außerdem» – er blickt geheimnisvoll – «hat noch kein Wissenschaftler herausgefunden, weshalb Angkor Wat untergegangen ist. Vielleicht waren es Aliens?» Um seinen Hals baumelt ein Amulett, das er von einem Guru in Indien geschenkt bekommen hat, und in der Hand hält er den Alchimisten von Paulo Coelho. Er deutet mit dem Zeigefinger darauf: «Lies das Buch und suche deinen Schatz», und irgendwann im Lauf des Gesprächs zitiert er auch den alten Klospruch: «Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.» Und schon ist man mittendrin in seinem Spinnennetz aus positiven Wellen, Energie und innerem Fluss.
Später sitze ich mit Jan am Strand und trinke Bier. Jan raucht Gras aus einem Chillum, das er im Himalaja einem Sadhu abgekauft hat. Wenn er nicht über Meditation, Yoga oder Schwingungen redet, ist er eigentlich ganz in Ordnung. Unsere Zehen wühlen in dem noch warmen Sand, das Meer plätschert sanft, und hin und wieder schleicht ein verlauster, sandiger Köter an uns vorbei.
Und dann sagt Jan plötzlich diesen Satz. Er sieht mich mit großen Augen an und sagt: «Eigentlich ist doch alles eine Welle.»
Eine Welle schwappte über den Sand. Dann noch eine. Und noch eine. Es geht immer so weiter. In einigen Metern Entfernung brutzelt ein Inder unter bunten Glühbirnen Red Snapper und Kakerlaken.
«Jedenfalls habe ich das in den letzten Monaten gelernt», fährt Jan fort. «Das ist meine tiefere Einsicht, die ich von dieser Reise mitgenommen habe.»
Eine Meute räudiger Strandköter läuft an uns vorbei, die alle zusammen eine Hündin jagen, um sie zu vergewaltigen. Jan hegt nun keine Mordabsichten mehr.
«Ich meine, Licht ist ja eine Welle», sagt er, «und Wasser auch, und Licht ist Energie, und alles ist in Bewegung, und alles ist eins, also wir, unser Bewusstsein und das Universum, mit dem Licht, das sagt ja auch die Quantenphysik, der Welle-Teilchen-Dualismus, und deswegen, weil immer alles fließen muss, wie das Tao bei den Chinesen, ist das doch alles eine Welle. Alles, verstehst du?»
Ich zögere, nehme noch einen Schluck Bier und versuche mich zu konzentrieren. Ich antworte: «Wir sind wie das Bier in der Flasche. Wenn uns niemand trinkt, kommen wir nicht
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