Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
wer gemeinsam einer aggressiven Affenhorde auf der Suche nach Essbarem gegenübersteht, wird sich später, in faderen Zeiten, an diese Erinnerungen klammern. Zwar gibt es Geschichten von Paaren, die erst im gemeinsamen Urlaub anfangen, sich richtig zu streiten, weil sie im Alltag mehr oder weniger bequem nebeneinanderher gelebt haben. Aber das sind Gammelurlaube, bei denen man nichts zusammen erlebt. Die Wahrheit ist: Wer sich auf Reisen streitet, hat ein ganz anderes Problem.
Auf Reisen währt ein Burgfriede zwischen den Geschlechtern. Gemeinsame Feinde in Form von Italienern, die jede Nacht bis drei Uhr am Strand grölen und dem Paar den Schlaf rauben, schweißen zusammen. Abgrenzung nach außen verstärkt den Zusammenhalt nach innen. Das ist für den, der allein reist, doof, nicht aber für das Paar. Das nämlich erlebt Flitterwochen und Abenteuerurlaub in einem. Ans Fremdgehen denkt man auch nicht, weil alle Menschen, mit denen man sich potenziell sexuellen Kontakt vorstellen könnte, spätestens nach drei Tagen wieder verschwunden sind. Beim nächsten Streit in der Heimat wissen beide insgeheim: An uns liegt es gar nicht. Es ist das Grau, der Beton, die Diplomarbeit, das Wetter, der Job und der ganze Mist. Die gemeinsamen Erinnerungen an die zwölfstündige Busfahrt über eine kambodschanische Buckelpiste, an den Geschmack einer süßen, reifen Maracuja, an den vietnamesischen Grenzbeamten, den man bei der Ausreise mit fünf Euro bestechen musste, sind ein Vorrat an guten Dingen, die eine Beziehung über schlechte Zeiten hinwegtragen können. Eigentlich gibt es für eine Beziehung gar nichts Besseres, als drei Monate mit dem Rucksack zusammen zu verreisen.
Stunden später wache ich auf. Es ist immer noch finster. Eigentlich ist es noch viel finsterer als zuvor. Ich sehe meine Hand nicht, obwohl ich sie ganz dicht vor meine Augen halte. Ich sehe nichts, aber ich höre den Affen schreien. Er ist verdammt nah an unserem Bungalow – seinem Gebrüll nach zu urteilen, kann er nicht weiter als 20 Meter von uns entfernt sein. Er klingt wie ein Monsteraffe, eine Bestie, die nichts anderes will, als Bungalows von Backpackern zu zerstören. Etwas stimmt nicht, meine Augen sind rot und schwer. In meinem Mund befindet sich nicht ein Tropfen Spucke. Ich vertrockne innerlich. Ich trinke den letzten Rest Wasser aus meiner Plastikflasche, doch er verschafft mir nur kurz Linderung. Mein Durst ist grenzenlos. Ich versuche, weiterzuschlafen. Wieder brüllt der Affe, ein Windstoß fährt vom Meer in die Bäume, alles wankt und raschelt.
Stunden später erwachen wir, die Sonne scheint, Vögel machen irgendwelche Geräusche. Sie liegt neben mir, ihre Augen sind noch geschlossen. Meine sind rot wie die eines Albinokaninchens, mein Mund trocken wie die Wüste, ich brauche mehr Wasser.
«Geht’s dir auch so …»
«Komisch?», fragt sie, ohne ihre Augen zu öffnen.
«Jetzt wirkt es doch», sage ich.
Sie stöhnt und sagt, sie müsse kotzen allein bei dem Gedanken, heute mit einer Fähre vier Stunden über das Meer zu fahren. Später kotzt sie dann wirklich.
Die Welt wankt. Mit Mühe gelingt es mir, die Stufen zu nehmen, die von unserer Hütte auf den kleinen Trampelpfad führen. Ich muss zum Supermarkt, muss Wasser kaufen. Die Sonne blendet, ich verstecke mich hinter meiner Sonnenbrille. Der Thai in dem kleinen Supermarkt … er grinst so verdammt komisch. Ich gebe ihm einen zerknitterten 20-Baht-Schein, er steckt ihn grinsend in seine Kasse und gibt mir zwei Münzen zurück. Irgendetwas denkt er sich über mich, der Hundling. Als ob er etwas im Schild führte. Egal, ich muss raus jetzt, Wasser trinken. Es dauert lange, sehr lange, bis ich den Deckel der Flasche geöffnet habe. Das Wasser: so kühl, so gut, wie nur Wasser sein kann. Ich gehe den Weg zurück zu unserer Hütte. Sie liegt auf einem Berg. Der Pfad, der dort hinaufführt, ist steil. Ich schwitze. Ich besteige einen Berg, einen Viertausender! Der Schweiß läuft mir über die Stirn, noch einen Schluck Wasser, dann weiter, immer weiter. Mein Weg, er ist unendlich lang. Stunden später erreiche ich mein Ziel. Sie sieht erschöpft aus, ich reiche ihr das Wasser.
Wir packen unsere Rucksäcke und verlassen die Hütte, den Dschungel und den Affen, der da irgendwo haust und uns die ganze Nacht bedroht hat. Ein Pick-up bringt uns zum Fährhafen. Eine halbe Stunde später besteigen wir die Fähre mit Hunderten anderer Backpacker. Rucksäcke stapeln sich, Menschen drängen
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