Band 1 - Blutspur
lang, doch die Art, wie er es sich aus den Augen strich, deutete darauf hin, dass er es normalerweise kürzer trug. In dem Morgenmantel sah er entspannt und harmlos aus, aber ich registrierte durchaus, wie sich die schwarze Seide über seinen sehnigen Muskeln spannte. Ivy war überkritisch gewesen. Freaks hatten weniger Muskeln.
»Du hast rotes Haar«, sagte er und setzte sich in Bewegung. »Ich dachte, es wäre braun.«
»Und ich dachte, du wärst - äh - kleiner.« Ich stand auf, als er näher kam, und nach einem Moment der Verunsicherung streckte er die Hand aus. Okay, er war kein Arnold Schwarzenegger. Aber er hatte mir das Leben gerettet. Er lag irgendwo zwischen einem jungen Jeff Goldblum und einem verwilderten Buckaroo Banzai.
»Ich bin Nick«, stel te er sich vor, während er meine Hand schüttelte. »Na ja, eigentlich Nicholas. Danke, dass du mir geholfen hast, aus dieser Rattengrube rauszukommen.«
»Ich bin Rachel.« Sein Händedruck war angenehm: fest, aber keine alberne Kraftprobe. Ich deutete auf die beiden Küchenstühle, und wir setzten uns. »Und das ist nicht der Rede wert. Irgendwie haben wir uns ja gegenseitig geholfen.
Wenn es mich nichts angeht, brauchst du es mir nicht zu verraten, aber wie um Himmels wil en bist du als Ratte in der Arena gelandet?«
Nick führte eine schmale Hand ans Ohr und schaute an die Decke. »Ich - äh - habe die Privatbibliothek eines Vampirs katalogisiert. Dabei habe ich etwas Interessantes gefunden und den Fehler gemacht, es mit nach Hause zu nehmen.« Er warf mir einen verlegenen Blick zu. »Aber ich wol te es nicht behalten.«
Ivy und ich tauschten Blicke aus. Nur geliehen, schon klar.
Aber wenn er schon mit Vampiren zusammengearbeitet hatte, erklärte das zumindest seinen ungezwungenen Umgang mit Ivy.
»Als er es herausfand, verwandelte er mich in eine Ratte und verschenkte mich an einen seiner Geschäftspartner. Der hat mich zu den Kämpfen gebracht, da er wusste, dass ich durch menschliche Intel igenz im Vorteil wäre. Zumindest habe ich ihm eine Menge Geld eingebracht«, beendete er seine Geschichte. »Und wie war es bei dir, wie hat es dich dorthin verschlagen?«
»Ahm«, stammelte ich, »ich habe mich mithilfe eines Zaubers in einen Nerz verwandelt und bin durch ein Versehen bei den Kämpfen gelandet.« Das war nicht gelogen, ich hatte das mit den Rattenkämpfen ja schließlich nicht geplant. Also war es ein Unfal gewesen. Irgendwie.
»Du bist eine Hexe?«, fragte er lächelnd. »Cool. Ich war mir nicht sicher.«
Das entlockte nun wiederum mir ein Lächeln. Mir waren schon einige Menschen begegnet, die Inderlander einfach für die andere Seite der Medail e hielten. Solche Begegnungen waren immer wieder überraschend und unglaublich angenehm.
»Was sind das eigentlich für Kämpfe?«, schaltete sich Ivy ein. »Ist das die neueste Methode, um Leute loszuwerden, ohne sich die Hände schmutzig zu machen?«
Nick schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht. Rachel war der erste Mensch, dem ich dort begegnet bin. Und ich war ganze drei Monate da.«
»Drei Monate«, sagte ich schockiert. »Du warst drei Monate lang eine Ratte?«
Er verlagerte sein Gewicht und zog den Gürtel des Morgenmantels enger. »Ja. Und wahrscheinlich wurden mittlerweile meine ganzen Klamotten verkauft, um die ausstehende Miete zu bezahlen. Aber hey - ich habe wieder Hände.« Er hielt sie hoch, und ich bemerkte, dass sie zwar dünn waren, aber ein paar deutliche Schwielen aufwiesen.
Ich nickte mitfühlend. In den Hol ows war es al gemein üblich, die Sachen eines Mieters zu verkaufen, wenn dieser verschwand. Es verschwanden einfach zu häufig Leute. Und Job hatte er auch keinen mehr, da er ja von seinem letzten Arbeitgeber >gefeuert< worden war.
»Und ihr wohnt wirklich in dieser Kirche?«, fragte er nach einem kurzen Schweigen.
Ich folgte seinem Blick, der durch die professionel eingerichtete Kirche schweifte. »Ivy und ich sind vor einigen Tagen eingezogen. Die Leichen im Garten darfst du einfach nicht beachten.«
Das charmante Grinsen veränderte sein Gesicht völ ig. Gott hilf mir. So sah er aus wie ein verlorener kleiner Junge. Ivy, die sich wieder an die Spüle gelehnt hatte, unterdrückte ein Kichern.
»Honig«, stöhnte Jenks unvermittelt. Das riss mich aus meinen Gedanken, und ich sah mich nach ihm um. Der Pixie blinzelte desorientiert von seiner Schöpfkel e herunter, setzte sich aber in Bewegung, sobald er Nick bemerkte. Unsicher flog er in unsere Richtung und
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