Band 1 - Blutspur
»Sie werden dir nichts tun, solange du nicht zu viel Lärm machst. Ich werde - ich werde gleich da sein.«
»Wie auch immer. .«, murmelte ich, drehte mich um und suchte den Weg zum Glockenturm.
Ganz wie Ivy versprochen hatte, ließen mich die Eulen in Ruhe. Wie sich herausstel te, gab es auf dem Dachboden Exemplare von al en Büchern, die ich durch den Anschlag in meinem Apartment verloren hatte, und sogar noch einige mehr. Manche der Wälzer waren so alt, dass sie bereits auseinanderfielen. In der Küche waren einige Kupferkessel, die laut Ivys Aussage wahrscheinlich für Chilikochwettbewerbe benutzt worden waren. Sie eigneten sich perfekt zur Herstel ung von Tränken, da sie keine künstliche Glanzversiegelung hatten. Es war fast schon unheimlich, wie einfach al es zu finden war. So war ich regelrecht erleichtert, als ich im Schuppen zwar eine Säge, aber kein Salz fand. Das war in der Speisekammer. Al es lief viel zu gut; irgendetwas konnte hier nicht stimmen.
6
Ich saß auf Ivys antikem Küchentisch und wackelte mit meinen pinken Plüschslippern, während ich mit meinen Essstäbchen in der weißen Pappschachtel herumwühlte. Die Gemüsestreifen waren zwar perfekt zubereitet und sehr knackig, aber im Moment war ich auf der Suche nach dem restlichen Hühnchen. »Das ist fantastisch«, nuschelte ich mit vol em Mund. Die scharfen Gewürze trieben mir Tränen in die Augen. Ich schnappte mir das bereitstehende Glas Milch und trank in tiefen Zügen. »Scharf!« Ivy sah von ihrer Schachtel auf.
»Verdammt scharf«, setzte ich nach.
Sie warf mir einen ironischen Blick zu. »Freut mich, dass es dir schmeckt.« Sie saß an dem leeren Platz vor ihrem Computer. Als sie sich wieder über ihr Essen beugte, fiel ihr das dunkle Haar ins Gesicht. Automatisch schob sie es sich hinters Ohr, wobei mein Blick an der rhythmischen Bewegung ihres Kiefers hängen blieb.
Während ich gerade mal genügend Erfahrung mit Essstäbchen hatte, um nicht wie ein Vol idiot auszusehen, bewegte Ivy das asiatische Essbesteck vol er Präzision. Mit fließenden, fast schon erotischen Bewegungen führte sie das Essen zum Mund. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr ganz so wohl in meiner Haut.
»Wie heißt das?«, fragte ich und stocherte dabei angestrengt in meinem Essen herum.
»Hähnchen in rotem Curry.«
»Das ist al es?« Sie nickte. Das konnte ich mir wenigstens merken. Dann fand ich ein weiteres Fleischstückchen, und wieder explodierte der Curry in meinem Mund und wurde mit einem kräftigen Schluck Milch gelöscht. »Wo hast du das geholt?«
»Piscarys.«
Piscarys war eine Kombination aus einer Pizzabude und einer Vampirbar. Exzel entes Essen in einzigartiger Atmosphäre. »Das ist von Piscarys?« Ich verschluckte mich fast an einer Bambussprosse. »Ich dachte, die machen nur Pizza.«
»Tun sie auch - normalerweise.«
Ihre Stimme hatte einen kehligen Klang bekommen, doch als ich aufsah, schien sie ganz auf ihr Essen konzentriert zu sein. Da ich nicht weiter reagierte, hob sie schließlich den Kopf und sah mich an. »Meine Mutter hat ihm das Rezept gegeben. Piscary macht das nur für mich. Keine große Sache.«
Sie widmete sich wieder dem Essen. Ich versuchte, mich auf das beruhigende Zirpen der Gril en zu konzentrieren, das unsere Essensgeräusche ergänzte. Mr. Fish drehte friedlich seine Runden in der Schale auf der Fensterbank. Die gedämpften Nachtgeräusche der Hol ows waren über den dumpfen Schlägen meiner Kleidung im Trockner kaum zu hören. Der Gedanke, morgen schon wieder dieselben Klamotten anzuziehen, war mehr als unangenehm, aber Jenks hatte mir inzwischen mitgeteilt, dass sein Freund meine Kleidung frühestens am Sonntag von dem Fluch gereinigt haben würde. Mir blieb nichts anderes übrig, als das, was ich hatte, zu waschen und zu hoffen, dass ich keinen Bekannten traf. Im Moment trug ich ein Nachthemd und einen Bademantel, beides Leihgaben von Ivy. Sie waren natürlich schwarz, aber Ivy hatte nur gemeint, die Farbe stünde mir. Der kaum wahrnehmbare Geruch von Asche, den die Kleidung verströmte, war nicht unangenehm, aber mich beschlich ein Gefühl, als ob er an mir haften bliebe.
Ich warf einen Blick auf die kahle Stel e über der Spüle, an der eine Uhr hängen sol te. »Wie spät ist es wohl?«
»Kurz nach drei«, entgegnete Ivy ohne auf die Uhr zu schauen.
Ich stocherte noch ein wenig in meinem Essen herum und seufzte, als ich feststel te, dass es keine Ananas mehr gab.
»Hoffentlich sind meine Klamotten
Weitere Kostenlose Bücher