Band 1 - Blutspur
bald fertig. Ich bin unglaublich müde.«
»Geh ruhig, ich hole sie für dich raus. Ich bleibe sowieso bis fünf oder so wach.«
»Nein, ich werde aufbleiben.« Ich gähnte und bedeckte meinen Mund mit dem Handrücken. »Es ist ja nicht so, als ob ich morgen früh aufstehen und zur Arbeit gehen müsste.«
Ivy gab ein leises Geräusch der Zustimmung von sich und ich hörte auf, in meinem Essen zu wühlen.
»Ivy? Sag mir, wenn mich das nichts angeht, aber warum bist du zur I. S. gegangen, wenn du nicht für sie arbeiten wol test?«
Die Frage schien sie zu überraschen. Die Emotionslosig-keit, mit der sie antwortete, sprach Bände: »Um meiner Mutter eins auszuwischen.« Ihr Gesicht wurde kurz von Schmerz überschattet, der aber so schnel verschwand, dass ich mir nicht sicher war, das richtig gesehen zu haben.
»Mein Dad ist nicht begeistert, dass ich gekündigt habe«, fügte sie hinzu. »Er meinte, ich sol te es entweder durchziehen oder Denon töten.«
Damit war das Essen endgültig vergessen. Ich wusste nicht, was mich mehr überraschte: die Tatsache, dass ihr Vater noch lebt oder seine kreativen Karrieretipps. »O ja. . Jenks erwähnte mal, du seiest die letzte lebende Angehörige eures Hauses.«
Ivy nickte bedächtig. Ohne mich aus den Augen zu lassen, führte sie weiter die Stäbchen zum Mund. Diese subtile Demonstration ihrer Sinnlichkeit schockierte mich und ich rutschte unbehaglich hin und her. Sie war früher nie so offensiv gewesen, wenn wir zusammengearbeitet hatten.
Al erdings hatten wir da auch für gewöhnlich vor Mitternacht Feierabend gemacht.
»Mein Dad hat in die Familie eingeheiratet«, sagte sie zwischen zwei Bissen. Ob ihr klar war, wie aufreizend sie wirkte? »Ich bin das letzte lebende Glied der Blutlinie meines Hauses. Aufgrund ihres Ehevertrages gehört, beziehungsweise gehörte, mir das ganze Geld meiner Mutter. Sie ist außer sich wegen meiner Kündigung. Wenn es nach ihr geht, sol ich mir einen netten lebenden Vampir der oberen Kaste suchen, sesshaft werden und so viele Kinder wie möglich werfen, damit ihre lebende Blutlinie nicht ausstirbt. Sie wird mich umbringen, wenn ich abkratze bevor ich nicht mindestens ein Kind bekommen habe.«
Ich versuchte Verständnis vorzutäuschen, hatte aber keine Ahnung, wovon sie redete. »Ich bin wegen meinem Vater beigetreten«, gab ich zu. Peinlich berührt nahm ich mein Essen wieder auf.
»Er arbeitete in einer Spezialabteilung der I. S. Jeden Morgen kam er nach Hause und erzählte diese wilden Geschichten von Leuten, denen er geholfen oder die er festgenommen hatte. Bei ihm klang das al es unglaublich aufregend.« Ich musste kichern. »Den Papierkram hat er nie erwähnt. Als er starb, dachte ich, so könnte ich ihm irgendwie nahe sein. Wie eine Art Andenken an ihn. Dumm, nicht wahr?«
»Nein.«
Ich blickte hoch und biss dabei in eine Karotte. »Ich musste einfach etwas unternehmen. Ich habe ein Jahr damit verbracht, meiner Mutter dabei zuzusehen, wie sie immer mehr abdriftete. Sie ist nicht verrückt oder so, aber sie wil einfach nicht akzeptieren, dass er fort ist. Du kannst keine Unterhaltung mit ihr führen, ohne dass sie etwas sagt wie:
>Ich habe heute Bananenpudding gemacht. Den isst dein Vater am liebsten.< Sie weiß, dass er tot ist, aber sie kann ihn nicht loslassen.«
Ivy starrte gedankenversunken durch das Küchenfenster in die Dunkelheit hinaus. »Mein Dad verhält sich so ähnlich. Er verbringt seine ganze Zeit damit, meine Mutter am Leben zu halten. Ich hasse das!«
Nicht viele Vampire konnten es sich leisten, nach dem Tod offiziel weiterzuleben. Al ein die aufwendigen Schutzmaßnahmen gegen das Sonnenlicht und die Haftpflichtversicherung waren teuer genug, um die meisten Familien in den Ruin zu treiben. Nicht zu vergessen die ständige Versorgung mit frischem Blut.
»Ich sehe ihn fast nie«, flüsterte sie. »Ich verstehe das nicht, Rachel. Er hat noch sein ganzes Leben vor sich, aber er lässt es nicht zu, dass meine Mutter sich das notwendige Blut von jemand anderem holt. Wenn er nicht bei ihr ist, liegt er irgendwo herum, bewusstlos durch den Blutverlust. Sie am Leben zu erhalten, bringt ihn selbst fast um. Einer al ein kann einen toten Vampir nicht ernähren. Und das wissen sie beide.«
Die Unterhaltung hatte eine unangenehme Wendung genommen, aber ich konnte jetzt nicht einfach abhauen.
»Viel eicht macht er das, weil er sie liebt?«
Ivy runzelte die Stirn. »Was ist das für eine Liebe?« Sie stand auf, selbst
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