Band 1 - Blutspur
»Meine Vermieterin hat mich rausgeschmissen. Der Karton vorne an der Tür ist al es, was ich habe, bis meine Sachen gereinigt werden. Die I. S. hat die ganzen Sachen in meinem Apartment mit einem Fluch belegt und mich im Bus fast drangekriegt. Und dank meiner Vermieterin wird in dieser Stadt niemand mehr etwas an mich vermieten. Denon hat mich auf die Abschussliste gesetzt, genau wie du gesagt hast.« Ich versuchte vergeblich, nicht al zu weinerlich zu klingen.
In Ivys Augen war noch immer dieser seltsame Glanz. Ich fragte mich, ob ihre Geschichte vom nicht-praktizierenden Vampir der Wahrheit entsprach.
»Du kannst das leere Zimmer haben«, sagte sie betont gleichgültig.
Ich nickte kurz. Okay, dachte ich und holte tief Luft. Jetzt lebte ich also in einer Kirche - mit Leichen im Garten, einer Morddrohung der I. S. und einem Vamp auf der anderen Seite des Flurs. Würde sie es bemerken, wenn ich an der Innenseite meiner Tür ein Schloss anbrächte? Würde das überhaupt einen Unterschied machen?
Die Küche war halb so groß wie der Altarraum und im Gegensatz dazu komplett eingerichtet und modern, vol glänzendem Metal , glitzerndem Chrom und hel em, fluoreszierendem Licht. Der Kühlschrank war riesig. Ein Gasherd inklusive Backofen nahm die eine Seite des Raumes ein, ein Elektroherd mit mehreren Cerankochfeldern die andere. In der Mitte gab es eine stählerne Arbeitsplatte mit leeren Regalen darunter. An dem Drahtgestel darüber hingen zahlreiche metal ene Küchenutensilien, Pfannen und Schalen. Es war die Traumküche jeder Hexe. Ich würde meine Zaubersprüche und mein Abendessen nicht mehr auf demselben Herd zubereiten müssen.
Abgesehen von dem abgenutzten Holztisch und den Stühlen in der Ecke sah die ganze Küche so aus, als sei sie einer Fernsehkochshow entsprungen. Ein Ende des Tisches war als Arbeitsplatz eingerichtet; der große Computerbildschirm blinkte hektisch, während sich der PC
durch die verschiedenen Leitungen wählte, um den beständigsten Link ins Netz zu finden. Das Programm war sicher nicht bil ig gewesen.
Ivy räusperte sich, als sie den Schrank neben der Spüle öffnete. Bis auf drei nicht zusammenpassende Becher war er leer. »Sie haben wegen dem Gesundheitsamt vor fünf Jahren eine neue Küche eingebaut. Die Gemeinde war nicht sonderlich groß und am Ende konnten sie es nicht bezahlen.
Deshalb vermieten sie die Kirche; sie versuchen mit dem Geld den Kredit abzuzahlen.«
Während Ivy den Kaffee einschenkte, strich ich mit dem Finger über das makel ose Metal des Arbeitstisches. Diese Platte hatte noch nie ein Stück Apfelkuchen oder ein Blech Kekse gesehen. »Sie wol en ihre Kirche zurück.« Sie wirkte sehr schmal, wie sie sich so gegen die Theke lehnte und den Becher in ihren blassen Händen hielt. »Aber sie stirbt, die Gemeinde. Sie finden keine neuen Mitglieder. Wirklich traurig. Das Wohnzimmer ist gleich hier hinten.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sol te. Also hielt ich meine Klappe und folgte ihr in den Flur bis zu einem schmalen Durchgang. Das Wohnzimmer war gemütlich und sehr geschmackvol eingerichtet - zweifel os al es Ivys Sachen.
Hier fand ich die ersten Anzeichen von Sanftheit und Wärme in dem gesamten Gebäude, auch wenn al es in Grautönen gehalten war und die Fenster bloß aus einfachem Glas bestanden. Es war einfach wundervol . Langsam entspannte ich mich etwas. Ivy griff nach einer Fernbedienung und leiser Jazz erklang. Viel eicht würde es gar nicht so schlimm werden.
»Sie hätten dich also beinahe erwischt?« Sie warf die Fernbedienung auf den Kaffeetisch und ließ sich in einem der feudalen grauen Veloursledersessel nieder, die neben dem leeren Kamin standen. »Bist du okay?«
»Yeah«, gestand ich säuerlich. Ich versank fast bis zu den Knöcheln in dem teuren Läufer. »Ist das al es dein Zeug? Ein Typ hat mich angerempelt und mir ein Amulett angehängt, das erst losgehen sol te, wenn es keine Zeugen oder Opfer mehr gegeben hätte - außer mir natürlich. Ich kann einfach nicht glauben, dass Denon es so ernst meint. Du hattest recht.«
Ich versuchte krampfhaft, gelassen zu klingen, damit Ivy nicht merkte, wie erschüttert ich war. Zur Höl e, ich wol te mich nicht mal selbst damit auseinandersetzen, wie geschockt ich war. Irgendwie würde ich das Geld schon zusammenbekommen, um mich aus dem Vertrag freizukaufen. »Ich hatte verdammtes Glück, dass der alte Typ von gegenüber es mir abgenommen hat.« Ich nahm ein Foto in die Hand, das Ivy mit einem
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