Band 1 - Blutspur
den Raum.
Ivy erschien in der Tür, als hätte man sie heraufbeschworen. »Du blutest«, sagte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist Jenks' Flügel.«
»Nein, du blutest. Dein Fuß.«
Ich sprang auf und verdrängte meine Todesangst. Als ich meinen Fuß hob, entdeckte ich, dass meine Ferse rot verschmiert war. Ich war zu beschäftigt gewesen, um es zu bemerken.
»Ich werde es reinigen«, sagte Ivy. Ich wich zurück. »Den Boden», erklärte sie genervt, »du hast blutige Fußabdrücke überal auf dem Boden hinterlassen.« Mein Blick wanderte in den Flur, wo meine Spuren im Licht des neuen Tages rot leuchteten. »Ich hätte deinen Fuß nicht angerührt«, murmelte Ivy, als sie hinausstampfte. Ich errötete. Nun. . ich war mit ihrem Atem in meinem Nacken aufgewacht. Aus der Küche waren knal ende Schranktüren und das Rauschen von Wasser zu hören. Sie war sauer auf mich. Viel eicht sol te ich mich entschuldigen. Aber wofür? Ich hatte ihr bereits gesagt, dass es mir leid tat, sie geschlagen zu haben.
»Sind Sie sicher, dass Jenks wieder in Ordnung kommt?«, fragte ich und vermied somit das Problem.
Die Pixiefrau seufzte. »Wenn ich die Flicken anbringen kann, bevor er aufwacht, schon.« Sie richtete sich auf, schloss die Augen und sprach ein kurzes Gebet. Nachdem sie sich die Hände an ihrem Rock abgewischt hatte, nahm sie eine stumpfe Klinge mit hölzernem Griff. Sie platzierte den Flicken und fuhr mit der flachen Seite des Messers über die Kanten, sodass sie mit Jenks' Flügel verschmolzen. Als sie fertig war, zitterten ihre Hände und sie verlor Pixiestaub, der sie aufleuchten ließ. Sie war wirklich ein Engel.
»Kinder?«, rief sie, und schon kamen sie aus al en Ecken angesaust. »Helft mir, euren Vater zu tragen. Josie, geh und schau nach, ob die Tür offen ist.«
Ich sah zu, wie die Kinder zu ihm hinunterflogen, ihn hochhoben und ihn durch den Kamin nach draußen brachten. Mrs. Jenks erhob sich müde, während ihre älteste Tochter al es wieder in der Tasche verstaute. »Mein Jenks«, sagte sie, »möchte manchmal mehr erreichen, als ein Pixie überhaupt zu träumen wagt. Passen Sie auf, dass mein Mann in seiner Torheit nicht getötet wird, Ms. Morgan.«
»Ich werde es versuchen«, flüsterte ich, als sie und ihre Tochter durch den Schornstein verschwanden. Ich fühlte mich schuldig, als ob ich Jenks bewusst manipuliert hätte, um mich zu beschützen.
Das Geräusch von Glas, das in den Mül eimer fiel, riss mich aus meinen Gedanken. Ich erhob mich und schaute aus dem Fenster: Die Sonne war aufgegangen und schien auf die Kräuter im Garten. Es war lange nach meiner Schlafenszeit, doch ich wusste, dass ich nicht wieder einschlafen würde.
Erschöpft und hilflos schleppte ich mich in die Küche. Ivy kroch in ihrem schwarzen Morgenmantel auf den Knien herum und wischte meine Fußabdrücke weg.
»Entschuldigung«, sagte ich. Ich stand in der Mitte des Raums und hatte schützend meine Arme um mich gelegt.
Ivy sah mit zusammengekniffenen Augen hoch; sie hatte die Märtyrerrol e wirklich gut drauf.
»Wofür?« Sie verlangte offensichtlich das große Entschuldigungsprogramm.
»Dafür, naja, dass ich dich geschlagen habe. Ich war noch nicht richtig wach«, log ich. »Ich wusste nicht, dass du es bist.«
»Dafür hast du dich bereits entschuldigt.« Sie kümmerte sich weiter um den Boden.
»Dafür, dass du meine Fußabdrücke wegwischst?«, versuchte ich es noch einmal.
»Das habe ich freiwil ig angeboten.«
Ich nickte; das hatte sie wirklich. Da ich mich nicht mit den möglichen Motiven, die dahinter steckten, auseinandersetzen wol te, akzeptierte ich ihr Angebot als eine reine Nettigkeit. Aber wegen irgendetwas war sie sauer. Ich hatte nur keinen blassen Schimmer, was das sein könnte. »Hilf mir mal auf die Sprünge, Ivy.«
Sie stand auf und ging zum Spülbecken, wo sie bedächtig den Lappen reinigte. Dann hängte sie den gelben Stofffetzen sorgfältig über den Wasserhahn. Schließlich drehte sie sich um und lehnte sich gegen den Tresen. »Wie wäre es mit ein bisschen Vertrauen? Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht beißen werde, also werde ich es auch nicht tun.«
Mir fiel die Kinnlade runter. Ivy verlangte Vertrauen?
»Du wil st mein Vertrauen?«, schrie ich, da ich wusste, dass nur eine kräftiger Schuss Wut mir genügend Mut einflößen würde, um mit ihr über dieses Thema zu sprechen. »Wie wäre es dann mit ein bisschen mehr Selbstbeherrschung? Ich kann dir noch nicht mal
Weitere Kostenlose Bücher