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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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leben im Zeitalter der Unmittelbarkeit. Wie viele Kinder besitzen heute noch die Konzentrationsfähigkeit für den Besuch eines Museums oder einer Kunstgalerie, ganz zu schweigen von der, die nötig ist, um die Werke darin zu würdigen? Aber ein Hokusai unauslöschlich mit der eigenen Haut verbunden, das ist die richtige Botschaft für das einundzwanzigste Jahrhundert, die versteht sogar der dümmste Verbrecher. Sobald ich konnte, zog ich in ein winziges Apartment in Shinbashi, dem alten Rotlichtbezirk von Tokio, wo ich mich gleich wie zu Hause fühlte.« An die Kellnerin gewandt, fügt er hinzu: »Du brauchst ihn nur hart zu machen, kommen will ich gar nicht.«
    »Die Tätowierung ist erstaunlich.«
    »Danke. Noch einen Krug Sake, bitte.«
    Ich muß gestehen, daß ich fasziniert hinsehe, als das große Schlachtschiff, aller Fürsorge beraubt, in sich zusammensinkt. Inzwischen ist es Viertel nach vier morgens – der japanische Inhaber des Lokals, offenbar ein Fan von Ishy und seinen Tattoos, hat die Tür mittlerweile zugesperrt, und die Kellnerinnen schlüpfen in Jeans und T-Shirt. Jetzt, da der Reiz des Neuen von Ishys donburi erschöpft ist, wollen sie nach Hause und ins Bett. Ich kann ob des Alkohols nicht mehr richtig denken.
    »Mitch Turner«, murmle ich, kaum noch in der Lage, mich auf meinem Hocker zu halten. Als der Name Ishys alkoholumnebeltes Gehirn erreicht, dämmert ihm etwas, und er sieht mich erschrocken an, bevor er von seinem Sitz auf den Boden sinkt. Bei dem Versuch, ihn zu stützen, falle ich selbst. Der Inhaber des Lokals hilft mir ins Taxi, wo ich ihn noch anweise, sich um Ishy zu kümmern. Er solle unbedingt seine Adresse herausfinden, wenn nötig, indem er in seinen Taschen wühle. Ich habe eine Woche gebraucht, ihn aufzuspüren, und will ihn nicht wieder verlieren. Aber offenbar fehlt meinen Ausführungen aufgrund des Alkohols die Klarheit. Es war eine außergewöhnliche Nacht, und mir bleibt nur noch die Besinnungslosigkeit.
     
    Am nächsten Morgen erwache ich voller Panik aus meinem Alkoholkoma. In meinen Träumen hat Pichai mich wieder aufgesucht: Warum hast du den donburi nicht festgenommen?
    Mit großen Augen in die kosmische Dunkelheit starrend, antworte ich: Er hat mich betrunken gemacht. Ich glaube, die Tätowierungen waren schuld. Wer zum Teufel ist er?
    Pichais Stimme wird von kosmischem Rauschen überlagert: Abtrünniger … naga in menschlicher Form … Nalanda … weit zurück … Tätowierungen … mächtiger Zauber … versuch’s mit einem Lockvogel …
    Von meinem Bett aus wähle ich, den Kopf dröhnend vom schlimmsten Kater meines Lebens, die Nummer des japanischen Restaurants, wo nur das Putzpersonal anwesend ist. Ich schüchtere die Frau, die sich meldet, so sehr ein, daß sie mir die Privatnummer des Chefs verrät. Als ich ihn anrufe, leugnet er, jemanden des Namens »Ishy« zu kennen. Nein, er habe in seinem Leben niemanden getroffen, auf den diese bizarre Beschreibung passe – könnte ich mich im Lokal täuschen?

36
    Jetzt sitze ich, wieder ganz der alte, vor einem Computer in meinem Lieblingsinternetcafé und gehe Einträge in der Onlineversion der Encyclopaedia Britannica durch. Keine Sorge, farang, ich weiß auch nicht, was ukiyo-e ist. Hier der Text, den ich dazu finde: Diese Kunstrichtung präsentiert Ansichten des Vergnügungsviertels von Edo (dem heutigen Tokio) und anderen städtischen Ballungsgebieten. Hauptthemen sind berühmte Kurtisanen und Prostituierte, Kabuki-Akteure, bekannte Szenen aus Kabuki-Stücken und Erotica. Ukiyo-e-Künstler entdeckten als erste das Medium des Holzschnitts für sich.
    Nun klingelt mein Handy; es ist Vikorn, der mich ins Polizeirevier ruft. Dort werde ich sofort zu seinem Büro gebracht, in dem Hudson mit hektischem Blick hin und her marschiert. Mir drängt sich der Eindruck auf, daß sich sein Geist aufzulösen beginnt. Oder genauer: Der Extraterrestrische in ihm scheint die Oberhand zu gewinnen.
    Ich vermute, daß es sich um einen Andromedaner handelt, aber was weiß ich schon?
    »Neuigkeiten?« erkundigt sich Hudson.
    Ich erzähle von Tätowierungen und Nutten, von einer durchsoffenen Nacht mit Hokusais posthumem Schüler und der Wirkung, die der Name »Mitch Turner« auf ihn gehabt hat.
    »Ich will die Verbindung zu den Islamisten«, faucht Hudson mit einem wütenden Blick auf Vikorn. »Das Miststück frißt uns zum Frühstück, wenn es von Ihrem Kurztrip nach Indonesien erfährt.« Schluckend fügt er hinzu: »Außerdem

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