Bangkok Tattoo
auszusehen.«
Hudson erstarrt beim Klang des Wortes.
Eine Stunde später steht Vikorn neben mir in Brights Wohnung. Die Situation und die Leiche verursachen mir Kopfschmerzen.
»Ich sehe keine andere Möglichkeit«, sage ich.
Vikorn wirkt merkwürdig gelassen. »Schon in Ordnung. Ich hab noch ein paar von den Haaren, aber leider keine Finger.«
»Sind Sie wahnsinnig? Die Haare gehören einem Terroristen, der bekanntermaßen vor diesem Mord umgekommen ist. Damit lassen Sie die ganze Aktion auffliegen.«
Den Kopf über meine Beschränktheit schüttelnd, holt er ein Luftpostkuvert aus der Tasche, reißt es auf und leert es aus. Kraushaare fallen heraus wie schwarzer Schnee.
»Du wirst sie nie begreifen. Wenn man eifrigen farangs widersprüchliche Indizien liefert, verwenden sie ihren unerschöpflichen Einfallsreichtum darauf, sich selbst noch weiter in die Irre zu führen.«
38
Elizabeth Hatch hat mich zu einem abendlichen Gespräch unter vier Augen berufen, und so fahre ich nun im Taxi in Richtung Sheraton Hotel an der Sukhumvit Road. In einem Verkehrsstau an der Kreuzung Silom/Rama IV, gleich beim Lumpini Park, lauschen der Fahrer und ich Pisit, der sich heute darüber ausläßt, daß die Regierung die Polizei beauftragt hat, etwa zweitausend mutmaßliche Drogenhändler abzuschlachten, um die Quote zu erfüllen. Das Problem sieht Pisits Ansicht nach folgendermaßen aus: Woher wollen wir wissen, ob diese Leute überhaupt etwas mit dem Drogenhandel zu tun hatten? Es gibt doch Gerichtsverhandlungen, um das herauszufinden. Und ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, daß es sich bei den Betroffenen ausschließlich um Kleinstdealer handelt? Sollte man nicht zuerst die Großen aus dem Verkehr ziehen? Pisit hat einen früheren Beamten der Crime Suppression Division zu sich eingeladen.
Pisit: Warum wurden keine jao por umgebracht?
Früherer Beamter: Verzeihen Sie meine Offenheit, aber das ist keine sonderlich intelligente Frage. Wenn es so einfach wäre, einen jao por zu töten, hätten deren Feinde das schon längst getan.
Pisit: Das heißt, die Regierung wählt den Weg des geringsten Widerstandes, indem sie die kleinen Händler beseitigt?
Früherer Beamter: Das ist doch nur logisch, oder?
Pisit: Sollen wir die Logik noch einen Schritt weiterführen und von der Polizei Leute umbringen lassen, die überhaupt nichts mit Kriminalität zu tun haben?
Früherer Beamter: Soll das ein Witz sein?
Pisit: Nein.
Früherer Beamter, nach einem Moment des Schweigens: Nun, genau das passiert vermutlich gerade. Wenn man sich den Anschein geben möchte, hart durchzugreifen, ist es ja letztlich egal, wen man umbringt.
Pisit: Ist das Staatswillkür im Thai-Stil?
Früherer Beamter: So könnte man es ausdrücken.
Es wundert mich, daß die CIA-Frau sich ausgerechnet den Abend für unser Gespräch ausgesucht hat. Interessant finde ich auch ihren Kleidungsstil: Sie trägt einen schicken marineblauen Hosenanzug von Versace und dazu eine weiße Spitzenbluse. Mich schockiert es, daß ihre Handgelenke mit Elefantenhaar-Reifen geschmückt sind. Die Haare hat sie sich ein paar Töne dunkler gefärbt, und der glänzende Lippenstift – tiefrot, dezent aufgetragen – verrät zusammen mit dem Duft von Kenzo, was sie vorhat. Gibt es irgendeine CIA-Agentin, die nicht als ein Chamäleon reinkarniert?
»Ich habe das Bedürfnis nach einer handfesten Alltagserfahrung«, erklärt sie, als wir uns im Foyer treffen. »In so einem Fall darf man nicht isoliert arbeiten.«
»Tanzen vielleicht?«
Sie bedenkt mich mit einem hastigen Blick. »Würden Sie das empfehlen?«
»Ja, traditionellen Thai-Tanz.«
»Lieber nicht.«
Ich folge ihr von den Mädchen, die an der Nana Plaza in Bikinis um Alustangen tanzen, zu den Oben-ohne-Akteurinnen im Firehouse und den gänzlich nackten im Purple Pussycat an der Soi Cowboy, bis wir schließlich in den Bars von Pat Pong landen. In dem Club, in dem wir uns jetzt aufhalten, ist es, abgesehen von dem Lichtkegel, in dem die Künstlerin des Abends ihre Show bestreitet, vollkommen dunkel.
Ich habe die Bananenshow zu oft gesehen, um sie nicht langweilig zu finden. Elizabeth Hatch jedoch ist hingerissen. Plötzlich flüstert sie mir zu: »Eine Bombe hier in diesem Lokal, mehr ist nicht nötig. Unterstützt Amerika, und wir legen eure Wirtschaft lahm, lautet die Botschaft. Sie besitzen weder die Agenten noch die Sicherheitsleute, um Ihr Land zu schützen, und wir können es auch nicht. Was sind wir bloß für
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